Nathalie Lumpp

Das Hallwag Handbuch Essen und Wein

kochbuch

Das Hallwag Handbuch Essen und Wein
Nathalie Lumpp:
"Das Hallwag Handbuch Essen und Wein"
Erscheinungsjahr: 2013
384 Seiten
150 Rezepte
25 EURO
ISBN: 978-3-8338-2299-5

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Das Hallwag Handbuch Essen und Wein Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Manchmal weiß selbst Natalie Lumpp nicht mehr weiter: Beim sauer eingelegten Hering kapituliert auch die Weinexpertin und empfiehlt dazu Bier. Wein passe in diesem Fall überhaupt nichts als Speisebegleiter. Das sei aber eine Ausnahme, in ihrem Handbuch „Essen und Wein“ versucht die Sommelière zielstrebig zu jedem Gericht den idealen Partner zu finden.

 

Lumpp, Jahrgang 1971, zählt zu den führenden Weinexperten in Deutschland. Bevor sie sich zur Jahrtausendwende selbständig machte, arbeitete sie in einigen der besten deutschen Restaurants wie in der „Traube“ in Tonbach oder im „Bareiss“ in Baiersbronn.

 

Die perfekte Kombination von Speisen und Wein gilt als hohe Kunst: Kann sie doch eine beträchtliche Genusssteigerung bewirken. Beispielsweise, so schwärmt die Sommelière, werde die Gänseleber geadelt werden durch einen süßen Gewürztraminer, das Pilzrisotto könne gewinnen mit einem gereiften, weißen Burgunder und das Entrecôte vom Hirsch eine höhere Genussstufe erreichen mit einem Shiraz. „Mit der Speise und dem Wein ist es wie bei einer Ehe – erst wenn die Partner richtig gut miteinander harmonieren, kann diese wirklich erfolgreich sein. Ich gehe sogar noch weiter: Dann gibt es nichts Schöneres mehr“, verspricht Natalie Lumpp. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Schwache oder gar unpassende Verbindungen können einen guten Wein seiner Stärken berauben und wie ein gesichtsloses Massenprodukt erscheinen lassen. Das soll den Lesern nach dieser Lektüre erspart bleiben, sie sollen nach diesem Grundkurs in der Lage sein, selbständig Wein und Speisen genussreich aufeinander abzustimmen.

 

Gelernt ist gelernt, nach dieser Devise geht Natalie Lumpp vor. Großes Fachwissen setzt sie dabei nicht voraus, Schritt für Schritt sollen die Leser die Grundregeln lernen, die bei einer Partnerbörse im Segment Wein und Essen beachtet werden müssen: In der kompakten Einleitung vermittelt die Autorin zunächst die wichtigsten Grundlagen zum Thema: Wie verkostet man professionell Wein? Wie lassen sich Aromen überhaupt erkennen und unterscheiden?

 

Nach dieser Aromen-Schulung geht es im nächsten Schritt darum, Geschmacksmuster miteinander zu kombinieren: Die fleischigen Aromen eines Cabernet Sauvignons, sein Duft von Kräutern der Provence ergänze sich perfekt mit einer Lammkeule und geschmortem Ratatouille. Die Grundregeln, die Natalie Lumpp dabei vorgibt, sind bekannt und überraschen nicht: Eine etwa besagt, dass zu feinen Gerichten elegante, zu rustikalen Gerichten robuste Weine auszuwählen sind.

 

Spannender wird es, wenn Lumpp die Theorie verlässt und in die Praxis geht: Zu 150 Rezeptideen für Vor-, Haupt- und Nachspeisen empfiehlt sie pro Gericht  meistens drei Weine. Bei manchen Gerichten ist ein QR-Code abgedruckt: An dieser Stelle erhalten Leser über das Smartphone zusätzliche Weininformationen mit direkter Bestellmöglichkeit.

 

Zum Spargelsalat mit Schinken und Eier-Vinaigrette kommt Lumpp um den Klassiker Silvaner nicht herum, aber auch ein leichter Grauburgunder oder Fendant aus der Schweiz sind passend. Zum dreifarbigen Paprikamousse hält sie einen Sauvignon Blanc für unübertrefflich, aber auch ein Chenin Blanc aus Südafrika harmoniere ausgezeichnet. Aber Natalie Lumpp drückt sich auch nicht vor komplexeren Aufgaben: Was trinkt man zu  Wachtel auf Kürbisgemüse (Sherry!) oder Wan-tans mit einer Füllung aus Hähnchenbrustfilet, Koriandergrün und Kokosnussmark mit Papayachutney? Eine nicht trocken ausgebaute Scheurebe oder ein fruchtiger Riesling, gewagt scheint die Kombination mit einem nicht allzu süß ausgebauten Muskat von der griechischen Insel Samos. Aber die Gleichung geht auf: Der Muskat kommt ebenso gut mit der Süße wie der Schärfe dieses Gerichts zurecht. Die Autorin, und das ist die Stärke ihres Rezeptblocks, bedient ein breites Spektrum von Hobbyköchen: Vegetarier werden dabei genau so berücksichtigt wie Fischesser und Fleischliebhaber.

 

 

Natalie Lumpp will ihre Leser schulen und dabei ermutigen, selbstbewusst Speisen und Wein zusammen zu stellen. Das gelingt ihr, selbst unbedarfte Anfänger in dieser Disziplin dürften rasch Erfolgserlebnisse vermelden. Sie vermittelt fundiertes Grundwissen, sie schafft es, eine Systematik zu vermitteln, mit der Hobbyköche problemlos Aromen und Eigenarten von Gerichten und Weinen arrangieren können. Die Rezepte lassen sich gut nachkochen, auch weil es in der Mehrzahl europäische Klassiker sind. Das kann man als Manko empfinden: In ihrem Handbuch ist viel Routine und Allgemeinwissen zu finden, kaum einmal wird der Schwierigkeitsgrad so erhöht, dass auch anspruchsvollere Köche elektrisiert werden. Gewagte Kombinationen von Aromen, die sucht man vergebens. Und vermutlich kursieren unter den risikofreudigen skandinavischen Sommeliers auch Antworten, welcher Wein zum sauer eingelegten Hering passt. Aber das überstiege auch den Charakter eines Handbuchs.

 

Fazit: Natalie Lumpp weiß um die vielen Möglichkeiten, Essen und Wein zu vermählen, wenn sie den Künstler-Leitsatz zitiert: „Wer die Form beherrscht, darf sie verletzen.“ Dieses Buch ist ein guter Weg, um dorthin zu kommen.


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Rezensent

Rainer Schäfer, Jahrgang 1962,

lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg und schreibt über das, was

er am meisten liebt: Fußball, Wein und Essen. Er pendelt zwischen

Fußballstadien, Weinanbaugebieten und Restaurants.

schaefer@kochmonster.de