Valérie Berry

Basic Tapas

kochbuch

Basic Tapas
Valérie Berry:
"Basic Tapas"
Erscheinungsjahr: 209
160 Seiten
80 Rezepte
17,90 EURO
ISBN: 978-3-03800-434-9

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Basic Tapas Bewertung: 4 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Foodstyling, Restaurantkritik, Catering und Lifestyle sind Valérie Berrys Gebiete. Nun hat sich die gebürtige Pariserin mit Wahlheimat London an ein brandaktuelles Thema gewagt. „Basic Tapas“ präsentiert eine feine Auswahl der kleinen Happen, die nicht nur in Spanien in aller Munde sind.

 

„Beliebige kleine Portionen solider Nahrung, die ein Getränk begleiten können“, so definiert die Königliche Akademie für spanische Sprache die Minirationen, die immer dann gereicht werden, wenn ein Bier oder ein Glas Wein verlangt wird. Trinken, ohne zu essen, das ist in Spanien schon fast unanständig. Mit Vorliebe verspeist man Tapas sonntags um eins. Was eigentlich nicht nötig wäre, denn gleich hinterher gibt es Mittagessen – für den Mitteleuropäer geradezu paradox. Doch der Brauch, ungezwungen von den Tellerchen zu picken (picar), ist Teil der spanischen Lebensart. In erster Linie geht es hierbei ums Kommunizieren, man steht am Tresen, unterhält sich, meist lautstark, je voller die Bar, desto besser. Das schafft erst die richtige Atmosphäre.

 

Dieses Ambiente macht den Charme der Tapas-Kultur aus. Was letztlich aufgespießt, auf die Scheibe Brot gelegt oder in Schälchen gefüllt wird, hängt ab von der Region, ihrer Landschaft und Kultur; allen Tapas gemeinsam ist das Vertraute: die Rezepte und Produkte von jeher, möglichst naturbelassen und in bester Qualität, aber oft mit viel Fantasie angerichtet.

 

Zieht man all dies in Betracht, ist der Titel „Basic Tapas“ maßlos untertrieben. Was Valérie Berry auftischt, zeigt eine – oder ihre – ganz persönliche Note. Wie gleich im Vorwort zu lesen, neigt sie zu ungewöhnlichen und neuen Kombinationen. „Membrillo“, das so genannte Quittenbrot, wird nicht wie üblich mit Frischkäse serviert, sondern mit kleinen Windbeuteln und Manchego-Käse. Nicht nur, dass sie sogar süße Tapas vorstellt, fast jedes Rezept kommt mit einer unkonventionellen Zutat daher. Beispielsweise die Champignons in Zitronen-Zimt-Marinade. Gut, dem maurischen Einfluss ist wie mit dem häufigen Einsatz von Pinienkernen und Safran damit Genüge getan.

 

Auch die Aufmachung ist vorbildlich: Der Umschlag verträgt den einen oder anderen Fettfleck, die Gliederung, die Warenkunde, das Rezeptverzeichnis und die vielen Tipps zur Vorbereitung der Zutaten sind äußerst hilfreich und verraten erstaunlich viel Insiderwissen. Zum Beispiel bei den Padrones, kleinen grünen Paprikaschoten, von denen es heißt: „unos pican otros no“, es kann also schon mal eine schärfere dabei sein. Typisch spanisch die Zubereitung: einfach in Olivenöl braten und mit grobem Meersalz zu bestreuen. Ebenso wie die Kombination Blutwurst mit Dicken Bohnen oder etwa  Wachteleier – die sind hier bei uns in Spanien keineswegs exotisch, sondern in jedem Supermarkt erhältlich.

 

Zuckerschoten füllen? 

 

Ja, Tapas machen Arbeit. Doch was Valérie Berry den „Guiris“ (den Ausländern) alles abverlangt! Meine Güte, da werden Tintenfische und Sardellen ausgenommen, Stockfisch gewässert und große Krebse gekocht. Es ist zwar lobenswert, dass sie für frische Zutaten plädiert – aber wer bereitet schon aus dem Krebsfleisch einen Salat mit grünem Spargel und füllt ihn dann in winzige Zuckerschoten? Das nennt man Liebe zum Detail und macht glatt den mit Krebs und Haselnüssen gefüllten Kirschtomaten von Tapas-Chef José Andrés  in den USA Konkurrenz. Dazu muss man wissen, dass Spanien mit einer eigenen Konservenkultur aufwartet, und zwar in Gourmet-Qualität. Für Spargel in der Dose aus der D.O. Navarra legt man leicht zwölf Euro hin. Und eingelegte Sardellen werden im Gewölbekeller gehütet wie der beste Wein.

 

Manchmal versteigt sich Valérie Berry in so gewagte Rezepte wie Jakobsmuscheln mit Chorizo in Orangensauce. Und auch die Ensalada rusa, der russische Salat, mit Blumenkohl und Mairüben würde in spanischen Tapas-Bars keinen Anklang finden. Denn wie schon anfangs gesagt, gewünscht ist das Einfache, das Konservative.

 

Als „Llamativos“,  durstmachend, hat schon Miguel Cervantes die kleinen Happen bezeichnet und damit blitzgescheit erkannt, worauf es einem Wirt hauptsächlich ankommt: mit den Getränken verdient der schließlich sein Geld. Doch ob das rechtfertigt, dass sich allzu reichlich die Chile verde, die grüne Chili, durchs Buch zieht? In Albondigas, den beliebten Fleischbällchen, im Gazpacho, der kalten Tomatensuppe, ja sogar bei den Venusmuscheln taucht sie auf; da ist der feine Geschmack perdu. Liegt es vielleicht daran, dass Valérie Berry in Frankreich ein mexikanisches Kochbuch herausgebracht hat und daher ihre Vorliebe für die pikante Schote rührt? Die wird zwar mittlerweile in Murcia, Almería und Huelva unter Plastik für die Latinos im Land kultiviert, doch es hat Wochen gedauert, ein paar Exemplare aufzutreiben.

 

Vielleicht sind aber auch die Übersetzerinnen mit den Paprika- und Pfefferschoten  ein bisschen durcheinander gekommen. Enorm, dass die Autorin Ñora-Schoten, eine kleine, runde, getrocknete Paprikaart, verwendet. Die kennt man eigentlich nur zwischen Katalonien und Murcia und nirgendwo anders. Aber das ist keine Chili. Die traditionellen Schoten mit ihrem charakteristischen Geschmack sind Bestandteil der valencianischen Paella und deren Nudelschwester Fideuà, aber auch der katalanischen Romescu-Sauce – dieses Rezept ist übrigens nicht gut gelungen, die Ñora  schmeckt zu stark heraus, und wenn Mandeln und Brot zu dunkel werden, ist das Ganze bitter.

 

Verwirrend, dass man die getrocknete Ñora-Schote laut Rezept eine Stunde in heißem Wasser einweichen soll. Im Kapitel „Vorbereiten“ gleich zu Anfang wird allerdings vorgeschlagen, dass man „getrocknete Pfefferschoten oder Chilis mindestens zwei Stunden in kaltem Wasser einweichen“ soll. Dabei kann es sich nur um Ñora oder Guindilla handeln, nicht um die Chili. Das Fruchtfleisch wird normalerweise nach dem Einweichen herausgekratzt. Aber sie werden auch gern einfach so, wie sie sind, überm Feuer geröstet und dann im Mörser zerkleinert.

 

Moskito statt Pfefferschote 

 

Die Guindilla ist die eigentliche Pfefferschote, sie ist getrocknet oder eingelegt im Handel; in Katalonien wird sie charmant „bitxo“ – ein kleines Tier wie zum Beispiel ein Moskito – genannt. Doch sie kann einer Chilischote nicht das Wasser reichen und macht nicht einmal die Gambas al ajillo (Garnelen in Knoblauch) richtig scharf. Geschweige denn die „Wilden Kartoffeln“, Patatas bravas. Apropos Wilde Kartoffeln: Mehligkochende Kartoffeln 25 Minuten in der Schale garen und nachher, gepellt, unter ständigem Wenden 10 bis 15 Minuten von allen Seiten knusprig braten: Wie das geht, möchte ich sehen.

 

Richtig scharf wird es dagegen mit Cayennepfeffer. Verwendet als halber Teelöffel bei den Zucchini mit Krebsfleisch und Serranoschinken. Eine Cuchara (Suppenlöffel), Cucharada (Teelöffel) oder Cucharadita (Mokkalöffel) sind die üblichen spanischen Mengenangaben. Verwechselt? Sollte es vielleicht ein halber Mokkalöffel sein? Und das ist immer noch verdammt viel.

 

Dasselbe könnte bei der Safranmayonnaise aus einem Eigelb mit einem Esslöffel scharfen Senf für die frittierten Tintenfische passiert sein, oder mit der Knoblauchmayonnaise für die Knuspergarnelen: Zwei Esslöffel scharfen Senf auf ein nicht zu großes Eigelb? Caramba!

 

Hüpfen von Ölpfütze zu Ölpfütze

 

Auffallend auch das sparsame Verwenden von Olivenöl und Eiern in den Rezepten. Ob das dem längeren Aufenthalt Valérie Berrys in den diesbezüglich leicht hysterischen USA zuzuschreiben ist? Spanier essen nicht gerne zu scharf, baden aber in Olivenöl. Die Kartoffeln für die Tortilla schwimmen in Berrys Rezept beileibe nicht im Öl, die Fleischbällchen müssen von Ölpfütze zu Ölpfütze hüpfen, und einem ganzen Hähnchen nur zwei Esslöffel Olivenöl zu gönnen, das ist gemein. Die Tortilla schmeckt, hält aber mit den wenigen Eiern kaum zusammen. Wie soll man diesen Star jedes Tresens denn in mundgerechte Stücke schneiden?

 

Immerhin ist das Glossar am Ende des Buchs sehr informativ, wenn auch der geräucherte Paprika aus La Vera nicht aus Andalusien kommt, sondern aus der Extremadura. Doch das sei verziehen, das liegt ja gleich nebenan. „Basic Tapas“ von Valérie Berry ist jedenfalls ein tolles Bilderbuch – präsentiert sind die Kreationen vom Allerfeinsten, die Fotos machen richtig Appetit. Valérie Berry und Deirdre Rooney sind, was die Illustration angeht, ein unschlagbares Team – mehr Fotos und eine originelle Überraschung sind auf ihrer Homepage zu finden.

 

Fazit: Ein Kochbuch für Experimentierfreudige. Aber nicht unbedingt für Anfänger. Denen seien die einfachen, leckeren Tapas für Überraschungsgäste auf den ersten Seiten empfohlen. Oder die folgende „Basic Tapa“: Kartoffelchips in Gourmet-Qualität (im Alicantiner Hinterland werden die noch von Hand hergestellt und leider nur im näheren Umkreis vertrieben). Grob geschroteten schwarzen Pfeffer drüber und das Ganze mit Saft von valencianischen Zitronen beträufeln – Bon profit! 

 

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Rezensent

Claudia Mussotter

Claudia Mussotter

Die gelernte Köchin steht nicht mehr für Schwaben am Herd, wie es einst zu Wattstraßenzeiten in der taz Berlin der Fall war. Seit mehr als zehn Jahren lebt sie an der Mittelmeerküste Spaniens und schaut den Valencianern in den Mund. Was dabei herauskommt, schreibt sie in den Costa Blanca Nachrichten.


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