Wiener Backhendel

Alleingericht für 4 Personen vom Wiener Spitzenkoch Gerd Wolfgang Sievers

Wiener Backhendel

Wohl kaum ein anderes Gericht – das Wiener Schnitzel und das Gekochte Rindfleisch einmal außer Acht gelassen – steht derartig für die Wiener Küche wie das Backhendel. Noch heute ist es fixer Bestandteil bei vielen Feierlichkeiten, insbesondere Hochzeiten, weil man mit dem Backhendel Wohlstand verbindet. Schon um 1900 wurde die „gute alte Zeit“ – das war damals das Biedermeier – als Backhendel-Epoche bezeichnet, weil es den Menschen angeblich so gut gegangen sei.

 

 

Unbestritten ist die Tatsache, dass das Backhendel, zumindest in der österreichischen Kochbuchliteratur, viele hundert Jahre früher erwähnt worden ist als beispielsweise das Wiener Schnitzel. Vielleicht ist das Backhendel nicht zuletzt deshalb eines der Lieblingsgerichte der Wiener, welche es allerdings immer wieder den Küchengebräuchen ihrer Zeit angepasst haben. So wird das Backhendel heute zumeist nicht mehr als „in Viertel geschnittenes Huhn mit Haut und samt Innereien“ serviert und auch nicht mehr in Schmalz ausgebacken, sondern zumeist als liebloser, in hunderte Einzelteile zerfetzter Gummivogel in Bröselpanzer, aus viel zu heißer Ölfriteuse kommend, auf den Tisch geknallt – die Fast-Food-Ära lässt grüßen.

 

 

Aber weil die heutige Essen und vor allem Kalorien(!) verweigernde Schickeria ihr saft- und kraftloses „Ausgelöstes Backhendel“ liebt, sollen hier zwei Rezeptvarianten angegeben werden: eine gute, authentische und eine nicht ganz so gute – aber immerhin noch brauchbare – modernisierte Variante. In beiden Fällen ist aber größtes Augenmerk darauf zu legen, dass man eine wunderbare, goldbraune und knusprig-zarte Panier erhält und keinen verbrannten Bröselpanzer auf den Tisch bringt!

© 2013 Edition Styria

Zutaten

Dieses Rezept stammt aus:

Gerd Wolfgang Sievers:
"Huhn & Co.: Die besten Rezepte von Huhn & Pute, Ente & Gans"
Edition Styria, Wien
Erscheinungsjahr: 2011
302 Seiten
227 Rezepte
29,90 EURO
ISBN: 978-3-85431-561-2

Zubereitung

Variante 1: Das authentische Wiener Backhendel

 

Die Hühner werden mit einem schweren Messer in vier Teile geteilt: zunächst der Länge nach durch und durch halbiert, dann jede Hälfte knapp ober dem Schenkel noch einmal. Danach die Schenkel beim Gelenk einschneiden. Der vorher abgetrennte Kopf bildete früher das 5. Stück, darf heute aber in Deutschland und Österreich nicht mehr verkauft werden.

 

Alle Hühnerteile, auch Kragen, Lebern (mehrmals mit einer Gabel eingestochen) und enthäutete Mägen zuerst salzen, danach in Mehl, verschlagenem Ei und feinen Semmelbröseln panieren (Hinweis: In ganz alten Rezepten wurden die Hühnerteile vor dem Panieren zusätzlich mit Essig oder Zitronensaft beträufelt).

 

Backschmalz in einer hohen Kasserolle erhitzen (bitte nicht allzu heiß, 140–160 °C sind genug) und die Hühnerteile portionsweise langsam darin goldbraun backen; die Panier sollte dabei sanft soufflieren. Während des Backens nicht ins Fleisch stechen, damit sich die Hühnerteile nicht mit Fett ansaufen.

 

Fertig gebackene Teile aus dem Fett heben, auf ein Backofengitter (oder gleich auf eine mit Küchenpapier ausgelegte Platte) legen und im auf 80–100 °C vorgeheizten Ofen warm halten. Nach den Hühnerteilen werden die Hälse und die Innereien ausgebacken, zuletzt reichlich Petersilie einige Sekunden ins heiße Fett tauchen.

 

Die fertigen, goldbraun gebackenen, wunderbar knusprigen Backhendel auf einer großen, mit weißem Papier ausgelegten Platte anrichten, die Innereien rundherum legen, alles mit der gebackenen Petersilie bestreuen und mit den Zitronenschnitzen garniert servieren.

 

Dazu isst man einen Salat (z. B. Erdäpfel-Mayonnaise-Salat oder Grünen Salat) oder, wer es steirisch liebt, einen Vogerl-Erdäpfelsalat oder auch einen Salat aus dem berühmten Grazer Krauthäuptel (eine spezielle Endiviensalat-Sorte), mit Mostessig und Steirischem Kürbiskernöl g.g.A. angemacht.

Variante 2: Backhendel (moderne Version)
 

Pro Person ein halbes Huhn in vier Teile zerlegen (mehr sollten es wirklich nicht sein) und diese enthäuten (das arme Tier!). Hühnerteile salzen und danach wie gewohnt in Mehl, versprudelten Eiern und Semmelbröseln panieren – Panier etwas andrücken. In nicht allzu heißem Frittier-Fett (vorzuziehen wäre Butterschmalz) langsam rundherum goldbraun ausbacken. Abtropfen lassen und mit Beilage nach Wahl servieren. Mehr gibt es dazu wirklich nicht zu sagen!

Variante 3: Ausgelöstes Backhendel

 

In neuerer Zeit ist es auch üblich geworden, das Huhn nicht nur zu zerteilen und zu häuten, sondern auch noch zu entbeinen. Für Fundamentalisten eine geradezu schreckliche Vorstellung, doch – vor allem in der Damenwelt – durchaus beliebt, weil leichter zu essen. Zudem hat es den Vorteil, dass es schneller gar ist als das Original. Für zwei Personen ein Huhn (etwa 1,4 kg) vierteln, häuten und die Flügel von den Bruststücken trennen (Flügel werden hier nicht mitserviert). Mit einem scharfen Messer das Brustfleisch von der Karkasse lösen und bei den Schenkeln die Knochen herausschneiden (Unterschenkel kann belassen werden). Fleisch wie gewohnt panieren und in heißem Butterschmalz rundherum goldbraun ausbacken.

 


Variante 4: Gebackenes Stubenküken

 

 

Küchenfertig vorbereitete Stubenküken vierteln oder nur halbieren, gut salzen und 20 Minuten ziehen lassen. In Mehl, verschlagenem Ei und Semmelbröseln panieren, dann portionsweise in heißem Butterschmalz goldbraun ausbacken. Mit frittierter Petersilie und Zitronenscheiben auftischen.

Chef de Cuisine