Coca & Gamba

Vorspeise oder Snack für 4 Personen von Peter Wagner

Coca & Gamba

Pizza! Der in Italien zunächst nur in der Gegend von Neapel gegessene Fladen musste erst von kampanischen Einwanderern in Amerika ab den 1930er Jahren zum Lieblingsgericht der US-Massen gemacht werden, um es über den Umweg der Italo-stämmigen Soldaten im 2. Weltkrieg wieder ins Heimatland reimportieren zu können. Trenk fand heraus, dass es noch bis 1955 in ganz Italien keine zehn Pizzerien außerhalb Neapels gab. Kein Wunder also, dass Deutschlands erstes Pizza-Lokal, „Sabbie di Capri“, 1952 in einer Stadt öffnete, in der es vor GIs nur so wimmelte: Würzburg.

 

Mit Hilfe von Belagszutaten, vor denen die Deutschen weniger Angst hatten als vor Mozzarella, Eselssalami oder Prosciutto – also Edamer, Plockwurst und Vorderschinken – eroberte der in Italien bis heute nahezu undenkbare Gastronomie-Zwitter „Ristorante-Pizzeria“ auch den letzten Winkel Germaniens. Gern auch mit Ananas. Die übrigens war den polynesischen Ureinwohnern Hawaiis völlig unbekannt, bis die Weißen sie aus Südamerika mitbrachten, Monokultur-Plantagen in die Inseln pflügten und später im großen Stil eingedost bis nach Rheda-Wiedenbrück verschifften, wo sie noch heute in der „Pizzeria Sicilia“ die „Pizza Hawaii“ (ab 4,50 Euro) toppen.

 

Ein kreativer Umgang mit dem Grundprinzip „belegter Teigfladen im Ofen backen“ ist also keine Schande. Konventionen spielen denn auch in der spanischen Entsprechung des Pizza-Themas so gut wie keine Rolle. „Coca“, der katalanische Begriff für „Kuchen“, ist eine ähnlich flache und simple Speise, bei der Teigbeschaffenheit und Belag eine vergleichbare hohe Varianz besitzen.

 

Ursprünglich wohl auf den Balearen entstanden, ist die Coca überall in Nordspanien ein schneller wie beliebter Heiß-Snack, der von ambitionierten Köchen in diversen Edelvarianten auch gern als kleiner Zwischengang nach den Jakobsmuscheln und vor dem Hummer eingesetzt wird. Noch nicht einmal die Form unterliegt irgendwelchen Restriktionen: Vom kleinen belegten Taler über runde, Pizza-artige, sowie eckige, an Flammkuchen erinnernde Formen bis hin zu kompletten Blechkuchen werden als „Cocas“ angeboten – Hauptsache, platt und so direkt wie möglich aus dem heißen Ofen.

 

Einzig beim Belag scheint es in Spanien einen Mini-Konsens zu geben: drauf darf alles, was kein Käse ist. Manchmal sind das nur Vortagesreste, fast immer Tomaten, oft Zwiebeln, Paprika, Knoblauch oder Sardinen, im Sternelokal Muscheln oder feines Krustengetier, auf Mallorca auch die typische Paprikastreichwurst Sobrassada.

 

Und weil selbst beim Teig die absolute Freiheit herrscht und man als „Coca“ neben dem häufig gesehenen Hefeteig auch Fladen aus Mürbteig oder trockener Fladenbrotmasse sieht, kann man sich beim heimischen Nachkochen in diesem Fall das Rühren und Kneten sparen und ein hochwertiges Convenience-Produkt aus der Supermarktkühltheke benutzen.

 

Wir zum Beispiel nehmen einen ohne Margarine, also nur mit Butter gefetteten, rollenförmig verkauften Blätterteig für unser heutiges Rezept „Coca & Gamba“, das als Vorspeise ebenso taugt wie als feines Fingerfood für die Weihnachtsfeier in Boutique, Galerie oder Jahresend-Tupperparty.

 

© 2015 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 25 Minuten
Wartezeit: 3 Stunden
Zubereitungszeit: 20 Minuten
Level: commis de cuisine
Zubereitungsart: mise en place

Zutaten

Coca
800 g Tomaten in Dose
1 EL Puderzucker
1 EL Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer, schwarz aus der Mühle
4 EL Balsamicoessig, 12 Jahre gereift
4 Knoblauchzehen
2 EL Olivenöl
1 EL Rosmarin und Thymian, frisch, fein gehackt
2 EL Tomatenmark
1 Prise Zucker
1 Prise Salz
16 Gambas Carabiniera, roh, mit Schale
2 EL Olivenöl
1 Prise Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
50 ml Noilly Prat
275 g Blätterteig, Fertigprodukt
Petersilienpesto
1 Bund Petersilie, glatt
2 Knoblauchzehen
8 Mandeln, grün, geschält
75 g Mahon-Käse
2 TL Meersalz, grob
50 ml Olivenöl
1 Prise Rohrzucker, braun

Wein-Tipp

Vinya Son Caules Negre 2009

 

Aus dem Zentrum der Coca-Welt stammt dieser perfekte Fladenbegleiter: Miquel Gelabert keltert in dem eher unromantischen Industrieort Manacor im Herzen Mallorcas den beeindruckend gehaltvollen Rotwein Vinya Son Caules Negre 2009 aus Tempranillo, Syrah und den autochthonen Rebsorten Callet und Manto Negro – in der Nase ein Rausch von Waldfruchtmarmelade, am Gaumen aber sauber strukturiert mit edler Frucht und weichen Tanninen.

 

Mit einem mitteldichten Rubinrot liegt der Miquel Gelabert Vinya Son Caules glanzvoll im Glas. Noten von Sauer- und Süßkirsche, reifer Zwetschge, gelber Eierpflaume und etwas Fruchtbonbon führen das Geruchsbild an. Das Bukett wird ergänzt durch Aromen von rotem, saftigem Apfel, fruchtiger Bitterschokolade mit Kirschlikör und appetitlichen, hintergründigen Salmiaknoten sowie einer sanften milchigen Note. Das ist ein sehr einnehmender Duft, der einem da entgegenschwebt.
Kühl, trocken und fruchtig frisch gleitet der Miquel Gelabert Vinya Son Caules an den Gaumen und füllt diesen rasend schnell aus. Aromen von roten Beerenfrüchten, wieder rotem Apfel, etwas Holz mit nussigen Röstaromen, jetzt auch Quitten-Kirschmarmelade und Noten nach Paprika, Pilzen, etwas Pfeffer und Kastanien ergeben ein kraftvolles Geschmacksbild, das kräftig und ausgewogen wirkt und von einem feinkörnigen Tannin gut strukturiert ist.


Dieses kräftige Geschmacksbild mit seiner guten Struktur zeigt sich auch wieder im Abgang, der fruchtvoll und dennoch schlank in einen Nachgeschmack übergeht, in dem rote Früchte und leicht nussiges Eichenholzaroma von einer angenehmen, leichten Fruchtsüße begleitet den Geschmack bestimmen. Hier finden wir die kühle Seite von Mallorca, gekonnt ins Glas gebracht.

Musik-Tipp

Tausende von Cocas hat der Pariser Erfolgsproduzent und Plattenaufleger David Guetta auch dieses Jahr wieder bei seinen Megadisco-Auftritten auf den Balearen gerockt – gute Gelegenheit, das mit Bonus Tracks (u.a. „Bang My Head“) erneut aufgelegte 2013er-Album „Listen Again“ (Warner) in der Küche zu hören und anschließend zu dem 57-minütigen Non-Stop-DJ-Set auf CD2 die Pizzakalorien wieder wegzuhotten.

Zubereitung

Coca

Wichtig bei diesem Rezept ist die Trennung von langsamen und schnellen Arbeitsprozessen. Die Tomatenfilets dörren stundenlang bei niedriger Temperatur im Umluftofen, um dabei ihre geschmacksverstärkenden gebundenen Glutamine freizusetzen. Die Garnelen dagegen werden nur ultrakurz in der Pfanne geröstet und für die letzten beiden Minuten auf der Coca mitgebacken, was sie schön saftig hält.

 

Tomatenfilets aus der Dose nehmen und längs teilen. ausgetretene Flüssigkeit in die Dose zurück geben. Filets ringsherum mit Küchenkrepp trocken tupfen. Auf Backofengitter legen und einseitig mit Salz und (durch Feinsieb gesiebten) Puderzucker würzen. Im Backofen bei leicht geöffneter Tür (nur ein Spalt) und 70 °C Umluft 3 Stunden lang dörren. Noch warm mit dem Balsamico einpinseln und pfeffern.

 

Knoblauchzehen häuten, fein hacken und in beschichteter Pfanne im Olivenöl goldgelb dünsten. Kräuter, Tomatenmark und den flüssigen Tomaten-Doseninhalt zugeben und bei mittlerer Temperatur und stetigem Rühren zu einer zähen Masse einkochen. Am Ende mit Zucker und Salz abschmecken.

 

Garnelen wenn nötig langsam auftauen, unter fließendem Wasser sorgfältig abspülen. Schale auf der Rückseite mit Schere bis zur Schwanzflosse aufschneiden, Garnelen wenn nötig entdarmen. Mit scharfem Messer Fleisch bis zum Schwanz-Ansatz mittig durchschneiden und Garnelen aufgeklappt („Butterfly-Schnitt“) bereit halten. In beschichteter Pfanne im Öl bei hoher Temperatur 1 Min. braten, mit Noilly Prat ablöschen und 30 Sek. einkochen. Sofort auf Teller umheben und mit Salz und Pfeffer würzen.

 

Blätterteig auf Arbeitsfläche ausrollen und in ca. 10x15 cm große Rechtecke schneiden. Backofen auf 200°C Umluft aufheizen. Teig-Rechtecke mit der reduzierten Tomatenmasse gleichmäßig bestreichen, mit Tomatenfilets belegen und 15 Min. auf mit Backpapier ausgelegtem Rost backen. Nach 13 Min. Gambas auflegen und mitbacken.

 

 

Petersilienpesto

Petersilie waschen und zupfen, Knoblauch häuten und grob hacken, Mandeln grob hacken. Alle drei  zusammen mit dem groben Meersalz in Mörser mittelgrob mörsern. Käse mittelgrob reiben und zusammen mit dem Olivenöl unterheben. Mit etwas Zucker abschmecken. Das Pesto sollte deutlich stückig sein.

Anrichten

Auf großen Tellern außen je einen Kreis Pesto ziehen, Cocas auflegen und sofort servieren. Das Rezept lässt sich auch mit kleineren Teigquadern als Finger Food realisieren, dann sollten die Gambas aber ohne Schale aufgelegt werden.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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