Extremadura

Foto: Mario Modesto

Stille Tage, fette Schweine

Mit dem Namen Extremadura assoziiert man zuerst Armut und Kargheit des im Südwesten Spaniens gelegenen Landes. Doch ist sein Ursprung eher in der geographischen Lage zu suchen: Vom christlichen Norden aus betrachtet, wurden nämlich die letzten Schlachten zwischen „Moros und Cristianos“, zwischen Mauren und Christen, jenseits des Duero-Flusses, „extremo de Duero“, geschlagen, dem Süden, der jahrhundertelang von den Mauren beherrscht war. Danach verkam das Land der arbeitslosen Ritter zum „Wilden Westen“, bis es neue Bedeutung als Wiege der Konquistadoren erlangte, die sich aufmachten, die Neue Welt zu erobern. Tausende Extremeños, mehr Schafhirten denn Seefahrer, suchten dort ihr Glück, um mit „oro y gloria“, mit Gold und Ruhm, zurückzukehren. Namen wie Mérida, Trujillo und Guadelupe zeugen von der bewegten Vergangenheit, deren Vermächtnis traumhafte Städte und prächtige Paläste, Kirchen und Klöster sind.

 

Der stille Teil Spaniens

Heute ist die aus den Provinzen Badajoz im Süden und Cáceres im Norden gebildete Extremadura der unbekannte, der stille Teil Spaniens. Der wenig entwickelte und zugleich ländlichste Landstrich, der von Flusstälern, sanften Hügeln, Bergketten, weiten Ebenen mit Stein- und Korkeichenwäldern (dehesas), Olivenhainen, großen Stauseen und uralten Hirtenwegen (cañadas) geprägt ist. Naturlandschaften, die Lebensraum für viele wichtige Pflanzen- und Tierarten bieten.


Hier wird Land- und Viehwirtschaft betrieben, was sich in der ländlichen Küche bemerkbar macht. Man setzt auf Qualität und bereitet einfache, aber mit viel Fantasie ausgedachte, von den Schätzen des Landes zeugende Gerichte.
Wahrzeichen und ganzer Stolz ist das Schwein. Nicht das herkömmliche, rosahäutige, sondern das schwarze, behaarte, Eicheln fressende iberische Schwein – Quell köstlicher Schinken und Würste. Um einen „Bellota“-Schinken zu liefern, darf es sich vom Herbst bis zum beginnenden Frühjahr nur von Eicheln, Gras und Kräutern ernähren. Wird noch Kunstfutter zugesetzt, bezeichnet man den Schinken als „recebo“. Und Schinken, die die geschützte Herkunftsbezeichnung „Denominación de Origen Dehesa de Extremadura“ tragen, sind von ganz besonderer Qualität.


Aus der im Land üblichen Hausschlachtung sind vielfältige Rezepte entstanden. Chorizo, die Paprikawurst, luftgetrocknete Lende, „cañas de lomo“, und Salchichón zählen zu den berühmtesten Sorten.

 

Auch die Weidewirtschaft mit Merinoschafen hat eine sehr lange Tradition. Daraus entwickelten sich nicht nur unendlich viele Lammgerichte wie die beliebten „calderos“ (Schmorgerichte), sondern auch ganz außergewöhnlicher Käse wie etwa der Torta del Casar aus Cáceres oder der Serena, der ausschließlich aus der Merino-Milch hergestellt wird. Nebenbei bemerkt: Auch das Fleisch vom Zicklein wird nicht verschmäht. Und das Rind aus der Extremadura ist mittlerweile mit Herkunftsbezeichnung geschützt.
Extremadura verfügt über alle Arten von Wild. Dementsprechend vielseitig und traditionsreich sind die Gerichte mit Kaninchen, Hase, Wildschwein und vor allem Federwild wie etwa Rebhuhn und Fasan.


Das Land liegt zwar nicht an der Küste, kann aber mit Flussfischen wie Forelle, Schleie, Karpfen und Aal aufwarten. Stock- bzw. Klippfisch ist ebenso beliebt wie im Nachbarland Portugal.


Suppen aber sind die Leidenschaft der Extremeños. Im Winter deftige Eintöpfe wie zum Beispiel der „cocido extremeño“; im langen, heißen Sommer reicht die Palette vom kalten Ajoblanco bis zum allseits bekannten Gazpacho. Eine Hauptrolle dabei spielen Brot und Gewürze. Wie zum Beispiel Paprika, der in fast allen Rezepten – und vor allem Würsten – vorkommt, hat man doch besonders guten, denn die Paprikaschoten aus La Vera werden über Eichenholz geräuchert.

 

Das Olivenöl

Doch alles, was den extremenischen Speiseplan ziert, wäre nichts ohne Olivenöl, das von Ölbäumen der Tierra de Barros in der Provinz Badajoz und Gata-Hurdes in Cáceres gewonnen wird. Und so hat es einen festen Platz in Suppen, Gazpachos, Migas (gerösteten Brotkrumen) oder sogar Süßspeisen.


Wären noch die vielen klösterlichen Backwaren und Süßspeisen aufzuzählen, deren Rezepte in Yuste, Guadalupe oder Alcántara entstanden und über die Jahrhunderte gehütet wurden. Kirschen, Pflaumen, Feigen, Kastanien aus dem Jerte-Tal mit seinem milden Mikroklima bieten sich auch heute dafür an, in den Wäldern gibt es alle Sorten Beeren.


Kirschen mit geschützter Herkunftsbezeichnung aus dem Jerte-Tal haben zu einem neuen Industriezweig geführt, der einzigartig in Spanien ist: der Herstellung qualitativ hochwertiger Liköre und Spirituosen, die sich mittlerweile auf den ganzen Fruchtbestand ausgedehnt hat. Der Destillationsprozess erfolgt handwerklich, Aroma- oder Farbstoffe sind dabei verpönt.

 

Es gibt auch Wein. In der Extremadura existiert heute ein großes geschütztes Herkunftsgebiet: Ribera del Guadiana, das die einstigen Gemarkungen vereint. Das war auch nötig, um die unbedeutende Weinwirtschaft zu fördern. Mit neuen Produktionsanlagen und einer vorverlegten Lese hat man leichte und ausgewogene Weine geschaffen, die sich seit einigen Jahren auf dem Markt behaupten.
Eine Kuriosität sind die „pitarras caseros“, nach alter Tradition handgemachte Tischweine, die man in allen nur erdenklichen Variationen und unterschiedlichsten Qualitätsstufen herstellt. Dazu werden die alten Holzpressen benutzt, die Fermentation findet in Tonbehältern statt. Diese ursprünglichen, ungefilterten Weine sind allerdings manchmal gewöhnungsbedürftig und sollten vorsichtig gekostet werden. Claudia Mussotter

 

Rezept-Tipp: Geschmorte Lammschulter