Harald Rüssel

Wild

kochbuch

Wild
Harald Rüssel:
"Wild"
Erscheinungsjahr: 2012
256 Seiten
130 Rezepte
29,90 EURO
ISBN: 978-3865287342

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Wild Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Das Thema Wildküche ist in der Kochbuchszene eigentlich ausreichend abgehandelt, meist ohne innovativ neue Rezepte und meist unterlegt mit einem geradezu spießigen Touch in Wort und Bild. Das traditionelle Waidmannsheil der grüngewandeten Jägerschaft zieht sich in aller Regel wie ein roter Faden durch die Bücher, die sich dem Thema in der Vergangenheit angenommen haben. Nicht so bei diesem Buch von Harald Rüssel.

 

Das liegt zum einen an dem Team: Fotograf Jörg Lehmann, einer der besten seiner Zunft, gelingt es, das Thema Jagd und Wildküche ohne altbackene Heimatgefühle dazustellen. Dagegen haben seine Fotos von Wald und Flur szenische Qualitäten, sind offen und klar und zeigen ein realistisches Bild der Jagd, die in Lehmanns Fotos ohne Bambi-Gefühlsduselei und Ballermann-Klischees auskommem.

 

Auch mit dem Autor Harald Rüssel hat der Verlag einen Glücksgriff gemacht, denn  Rüssel ist nicht nur ein ausgezeichneter (Sterne-)Koch, sondern auch passionierter Jäger, der in seiner lesenswerten Einleitung schonungslos mit den Klischees aufräumt, die das Thema ansonsten belasten. Schon nach den ersten Zeilen merkt der Leser, dass das Buch eine neue Dimension aufmacht und nicht eine mehr oder weniger zufällige Aneinanderreihung von Rezepten ist. Hier greift der ökologische Sinn der Jagd nahtlos in die Sozialverträglichkeit der Produkte, bildet eine schlüssige Einheit, an deren Ende, quasi als Conclusio, die Rezepte stehen.

 

Nicht isoliert und einer vermeintlichen Ordnung folgend, sondern als Resultat vieler Faktoren, die Rüssel in seiner jagdlichen Einleitung schlüssig herleitet. „130 Rezepte für jeden Tag“ verheißt das mutig gestaltete Cover, das trotz seiner puristischen Darstellungsidee dennoch eindrucksvoll aussagekräftig ist. Und die scheinbare Banalisierung „Rezepte für jeden Tag“ ist in Rüssels Buch tatsächlich mehr als eine verkaufsfördernde Metapher. Alltagstauglich sind die Rezepte durch die Bank, weil sie sich wohltuende von der Idee entfernen, dass nur komplizierte Rezepturen eines Sternekochs sein Renommee steigern.

 

Mitnichten, Harald Rüssel verspricht nicht zu viel, die Rezepte sind verständlich erklärt und ausnahmslos nachkochbar. Einziger kleiner Haken: Jagdfrisches Wildfleisch gibt es nicht an jeder Ecke und nicht jeder hat einen Jäger in seinem Bekanntenkreis, der seine Freunde regelmäßig mit Wildschweinen, Hirschen und Rehen versorgt. Es darf also auch schon mal etwas aus der Tiefkühltheke sein.

 

Wie das Fleisch kochfertig zerlegt wird, zeigt Harald Rüssel ebenso wie die Grundtechniken der Wildküche, die sein Buch auch für Anfänger zur sinnvollen Lektüre machen. Der eigentliche Rezeptteil ist aufbauend gegliedert: nach der kleinen Einführung in die Gewürze, die zu Wild passen, kommen die Grundrezepte für Saucen Brühen, Farce und Terrinen. Danach folgen die eigentlichen Rezepte der Wildgerichte, Schritt für Schritt nachvollziehbar und exakt beschrieben.

 

Zu jedem Gericht, ob geschmorte Hirschschulter oder falscher Hasenpfeffer, empfiehlt Harald Rüssel Beilagen, die in einem Extrakapitel gelistet sind. Und auch in diesem Kapitel geht es unkompliziert zu, Kartoffel- und Serviettenknödel werden genauso aufgeführt wie ein einfaches Gemüsepüree, Steckrübenstampf, bunte Linsen oder Grießnocken. So ergeben sich spannende Kombinationsmöglichkeiten, ganz nach eigenem Gusto.

 

Fazit: Unter dem Strich ist das Buch, das in Berlin auf der EAT! zum besten Kochbuch des Jahres 2013 gewählt wurde, mit 29,90 Euro ein echtes Schnäppchen für alle, die richtig Wild kochen wollen.

Rezensent

Thierry Becker

Thierry Becker

Thierry Becker stammt aus dem Mutterland der Gourmets, dem Elsass, lebt aber seit vielen Jahren in Stuttgart. Als Planer und Berater für Spezial-Lösungen im Bereich Maschinenbau ist er viel unterwegs – und wann immer es sich ergibt, versucht er bei seinen Dienstreisen in den besten Häusern der jeweiligen Orte zu essen. Zum Kochen kommt er nur an höchstens zwei Wochenenden im Monat, dann aber richtig: "Ich arbeite mich am Liebsten an vertrackten Rezepten von Sterneköchen ab".

thierry_becker@kochmonster.de