Rehrücken im Tramezzini-Mantel mit Maronenkroketten und Süßholz-Jus

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Rehrücken im Tramezzini-Mantel mit Maronenkroketten und Süßholz-Jus

Mit der Süßholz-Jus in diesem Wildrezept gehen wir einen Schritt zurück in der Hochküchengeschichte – zurück in die Zeit, in der Saucen noch schmecken durften und nicht nur gut aussehen müssen.

 

Der optische Gestaltungsdrang vieler Spitzenköche, materialisiert in all den angesagten Punkten, Streifen oder zumindest zäh aufgetragenen Pinselstrichen auf dem Teller ist mit der ursprünglichen Sinnhaftigkeit der Saucen – als tragende Geschmackskomponente und Gleitmittel – nur selten in Einklang zu bringen. Saucen für den ungehemmten Tellerpointillismus dürfen nicht flüssig sein, sonst verschmiert das kunsthandwerklich ambitionierte Angerichte.

 

Unser Rehfilet behält durch einen Schutzmantel aus platt gewalztem Tramezzinibrot seinen zarten, sehr edlen, aber nicht gerade dominanten Geschmack, der gegenüber den heute üblichen schokoladigen Wildsaucen kaum eine Chance hätte. Wir verzichten deshalb sogar auf das Anrösten der Reh-Karkassen, lassen sie lieber leise im Ansatz mitziehen und vermählen so die feine Wildaromatik mit dem erdig-lakritzigen Süßholzharz.

© 2010 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 1 Stunde, 15 Minuten
Zubereitungszeit: 40 Minuten
Level: sous chef
Zubereitungsart: mise en place

Zutaten

Rehrücken
1 Stück Rehrücken, ganz (oder ausgelöst, aber mit Knochen)
1 TL Rosmarin-Spitzen, frisch, fein gehackt
1 Prise Pfeffer, bunt, frisch gemahlen
1 TL Meersalz, fein
5 Scheiben Tramezzinibrot
2 EL Butter
Süßholz-Jus
5 EL Schalottenwürfel
1 TL Zucker, fein
1 EL Butter
2 EL Süßholz
300 ml Rotwein
350 ml Wildfond
4 Stück Wacholderbeeren, zerdrückt
4 Stück Lorbeerblätter
1 Prise Salz und Pfeffer
Maronenkroketten
650 g Maronen, frisch, in Schale
2 EL Kastanienmehl
2 Stück Eigelb
1 Prise Bockshornkleesamen
1 Prise Pfeffer, schwarz aus der Mühle
1 TL Meersalz, fein
1 Liter Pflanzenöl, neutrales, zum Frittieren
Gemüsebeilagen
150 g Sellerie, Knolle
150 g Muskatkürbis
1 TL Butter
1 Prise Selleriesalz, Bio
1 Prise Pfeffer, weiss aus der Mühle
5 Stück Steinpilze, frisch
1 EL Butter
1 Prise Meersalz, fein
1 Prise Pfeffer, bunt, frisch gemahlen

Wein-Tipp

Masi Rosso del Veronese Campofiorin Rosso IGT

Jahrgang: 2006
Region: Italien - Venetien
Rebsorte: Valpolicella Amarone
Geschmack: trocken, mürbe, weich
trinkreif ab sofort
lagerfähig bis: 2018
Trinktemperatur: 20 °C
Alkoholgehalt: 13 % vol.

Der Campofiorin ist mit Sicherheit eines der innovativsten Produkte des venetianischen Weinbaus. Masi war der erste Winzer, der diesen Wein nach der "Ripasso"-Methode kreiert hat, und das bereits 1964! Ripasso bedeutet "Doppelpressung", hierbei wird der Trester des Amarone wiederverwendet und zusätzlich mit frischen Valpolicella-Rebsorten belegt, danach erfolgt die gemeinsame Pressung, deshalb auch der Name "Ripasso". Das Ergebnis ist ein unwahrscheinlich interessanter Geschmack, der an Amarone erinnert, ohne dabei dessen Wucht und den hohen Alkoholgehalt zu erreichen.

 

2 Stunden dekantieren

 



Wine Enthusiast: 88 Punkte für 2004

Musik-Tipp

Für diese Gaumenfreude wurde ein junges, relativ kleines Wildtier jäh aus dem Leben gerissen – was eher ernsthafte Zubereitungsbeschallung gemahnt. Tief religiös, ohne aber einen Funken Prediger-Bling, klingt „Fellowship“ (Verve/Universal Music) von einer der mit Abstand besten Frauenstimmen dieses Jahrhunderts: Lizz Wright taucht tief in den Taufbrunnen der Gospel-Spiritualität ein, bleibt im Grunde ihrer Seele immer dem Soul verpflichtet. Noch mehr Kontemplation gewünscht? Steve Reich, der New Yorker Begründer der Minimal Music, bringt auf „Double Sextet/2x 5“ (Nonesuch/Warner Music) erneut zwei Stücke mit gedoppelter Besetzung – wobei das von klassischem Rock-Quintett unter Mitarbeit der Musiker von Kraftwerk und der Band Bang On A Can konzipierte und eingespielte „2x5“ für Reich-Verhältnisse fast schon ein wenig rockig anmutet.

Zubereitung

Rehrücken

Rehrücken (ca. 1,7 Kg, davon ca. 650 g reines Fleischgewicht, möglichst keine TK-Ware)...

 

 

...parieren (Parüren und Karkassen für die Sauce aufheben).

 

 

 

Die beiden Fleischstränge aus den Knochen schneiden. Rückenknochen mit dem Küchenbeil in ca. 12 Segmente teilen.

 

Die Filets in insgesamt vier gleich große Teile zerschneiden, Gewürze gut einmassieren, 20 Min. ruhen lassen. In der Zwischenzeit das Tramezzinibrot (mindestens 1 Scheibe mehr als benötigt zur Sicherheit) in einer Nudelmaschine zu dünnen Bahnen plattieren – beginnend mit Dicke 3, Zieldicke Maschineneinstellung 6 bis 7.

 

 

Mit einem Nudelholz geht das auch, der Teig wird dabei aber nicht so gleichmäßig und mit hohem Pressdruck geplättet und bleibt brüchig.

 

Die Filets auf vier Brotbahnen mittig anlegen, Brot rings herum mit Küchenpinsel anfeuchten.

 

 

Bahnen an den Rändern nach innen schlagen, dann die Filets zu straffen Rollen aufdrehen, die Kanten nochmals mit dem Pinsel anfeuchten, glatt streichen. Bei Zimmertemperatur bereit halten.

 

 

30 Min. vor dem Servieren die Rollen in einer Pfanne in der Butter gleichmäßig ringsherum goldgelb anbraten.

 

 

Im Backofen bei 90 Grad (keine Umluft) ca. 25 Min. zu Ende garen. Gargrad mit Kerntemperaturmesser überprüfen: 65-70 Grad entsprechen einem noch zartrosa Fleisch, wer Keim-Angst hat, muss das Fleisch mindestens 10 Minuten bei 80 Grad Kerntemperatur halten. Durch unsere Tramezzini-Verpackung bleibt es aber selbst dann noch verhältnismäßig zart. In manchen Sternelokalen wird das Rehfilet mit 58 Grad Kerntemperatur serviert, was den meisten Gästen aber insgeheim dann doch zu roh ist... 

 

 

Süßholz-Jus

Schalotten in Sauteuse mit Butter und Zucker anziehen, zwei Drittel des Süßholzes (die Mengen beziehen sich auf Süßholzscheiben aus dem Asia-Laden. Apothekenware - Stangen - sind intensiver, davon nur die Hälfte einsetzen) zugeben.

 

 

Mit Wein ablöschen, fast völlig reduzieren. Wacholder...

 

 

...Lorbeer, Parüren und Karkassen beigeben, mit dem Fond auffüllen und bei sehr niedriger Temperatur 30 Min. ziehen lassen.

 

 

Restliches Süßholz zugeben, kurz aufkochen, vom Herd nehmen und 10 Min. ziehen lassen. Abpassieren, erst jetzt mit Pfeffer und Salz abschmecken und warm halten. Diese Sauce sollte nicht weiter reduziert werden.           

 

Maronenkroketten

Falls frische Maronen verwendet werden: alle Maronen oben kreuzförmig anschneiden, bei 200 Grad im Ofen (keine Heißluft) platzen lassen. Mit Handschuhen die noch heißen Maronen schälen, auch die dünne braune Haut entfernen. Maronen grob mit Messer zerkleinern, in etwas Wasser 5 Min. weich dünsten, Wasser abgießen. Maronen (gilt nun auch bei der Verwendung fertig gekochter Ware aus dem Einschweißbeutel – hier nur 400 Gramm nehmen) zusammen mit den restlichen Zutaten im Mixer oder mit dem Messeraufsatz des Schneidstabes zu einer glatten aber nicht vollständig homogenen Masse pürieren – es sollten noch kleine Stückchen bestehen bleiben.

 

 

Mit  angefeuchteten Händen längliche Kroketten aus dem Teig formen.

 

 

Kroketten in 180 Grad heißem Pflanzenöl nach und nach je ca. 5 Min. goldbraun frittieren.

 

 

Mit Krepp entfetten und falls nötig auf mehreren Lagen Krepp bei 90 Grad im Backofen warm halten.

 

Gemüsebeilagen

Mit einem scharfen Melonenausstecher Kugeln aus dem Sellerie und dem Kürbis stechen.

 

 

 

In der Butter kurz anziehen, würzen und in der Gemüsebrühe bissfest dünsten.

 

Steinpilze (mittlere Größe mit festem Kopf) putzen,  in Scheiben schneiden und in der Butter mit den Gewürzen kurz dünsten.

Anrichten

Filetrollen an den Enden knapp abschneiden, diagonal mittig teilen und hochkant auf vier sehr gut vorgeheizte Teller stellen. Je 4-5 Steinpilzscheiben und 2-3 Kroketten anlegen, Gemüsekügelchen verteilen, Fleisch und Kroketten großzügig mit der Sauce nappieren, sofort servieren. Restliche Sauce getrennt anbieten.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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