Travemünde

Lübecks kleine Badeschwester jetzt mit Dreisterner

 

Aus der Sicht der Hamburger Tausendschaften, die sich jeden halbwegs sonnigen Samstag und/oder Sonntag zum 20-Kilometer-Stau auf der A1 ostwärts verabreden, reicht die gefühlte „Lübecker Bucht“ nur von Travemünde (ohne Priwall – das ist die „Schäl Sick“, wie der Kölner sagen würde) bis allerhöchstens Sierksdorf . Ab und an verirren sich noch ein paar Hamburger Ausflügler bis nach Neustadt/Pelzerhaken – meist aber nur, um sich die Platzwunde vom Kitesurfen in den dortigen „Schön Kliniken“ nähen zu lassen ­­– immerhin die einzige Intensivstation mit Ostseeblick Deutschlands. Egal, denn Gourmets aus aller Welt kennen ohnehin nur ein Ziel: Kevin Fehlings Dreisterne-Kochkunst.




Feinstschmecken im Casino Royale

 

Das Columbia ist für viele (auch verwöhnte) Gäste außen wie innen das schönste Hotel der gesamten Ostseeküste – mit klassizistischer Fassade, ausladenden Suiten und einem zum Weinen schönen Ballsaal. Wellness-Fans werden angesichts des unterirdisch gelegenen wie ausgestatteten Mini-Spa-Bereiches zwar lieber gegenüber im A-Rosa nass, doch in Sachen Nobelesse, Fortuna (Spielcasino im Haus) und Gastronomie spielt das Columbia ganz vorne mit.

 

 

 

Das ist vor allem ein Ergebnis der konsequenten Aufbauarbeit von Küchenchef Kevin Fehling, der seinem Restaurant „La Belle Epoque“ – das einzige in der Bucht mit Sternen und Meerblick – mit rasanten und gewagten Tellern bundesweite Aufmerksamkeit beschert.

 

Kevin Fehling

 

Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ war der Ex-Chefkoch der „MS Europa“ die „Entdeckung des Jahres“, auch in anderen Medien wie dem "Gusto" oder dem "Feinschmecker" rangierte er zwischen "Aufsteiger" und Koch des Jahres". Kein Wunder also, dass Fehling im "Michelin 2013" nun seinen dritten Stern verliehen bekam – als jüngster unter den damit zehn deutschen Köchen dieser international höchsten Spielklasse. Weitere Auszeichungen: "Koch des Jahres 2012" und 9 von 10 Pfannen im Gusto, 17 Punkte im Gault Millau.

 

 

"La Belle Epoque"



3 Sterne, 14 Gänge

 

Nur wenige Tage nachdem Kevin Fehling Anfang November 2012 seinen dritten Michelin-Stern verliehen bekam, hatte das Kochmonster samt Gattin schon Gelegenheit, bei ihm zu dinieren. Aus den sechs angekündigten Gängen des Menüs wurden bis zum süßen Ende ganze 14...

 

Das "Belle Epoque" ist mit 20 Couverts das kleinste Dreisternelokal Deutschlands, aber nur was die maximale Gastzahl betrifft: Im Wintergarten mit dem spektakulären Ostseeblick stehen die Tische angenehm weit auseinander, hier muss niemand seine Stimme senken. Auch sonst ist die Stimmung, die der geniale Restaurantchef und superkundige Sommelier David Eitel und sein junges, munteres Serviceteam verbreiten, wunderbar gelöst und auf angenehme Weise darauf konzentriert, die Mission Küchenchefs in der Küche umzusetzen. Licht, Möbel, Ambiente, Service – all das ist einer einzigen Maxime untergeordnet: Der Teller ist der Star. Fangen wir also einfach mal zu essen an.

 

 

Das winzige Travemünder Krabbenbrötchen, von der luftig-krossen Eiweißteigkonsistenz her eher eine Art herzhafter Macaron, ist nicht nur ein witzig-schmackiger Einstand, sondern zugleich ein erster Test, ob der Gast mit roh servierten Meeresfrüchten überhaupt klar kommt. Denn davon soll es noch Einiges geben im Menüverlauf. Und roh geht es auch gleich weiter mit dem Ostsee-Miniaturland.

 

 

Die 5 Ostseemuscheln in Texturen bringen das komplette Meeresaromatikspektrum von jodig bis betont fischig als Kleinstkunstwerk auf der Schale einer Scheidemuschel unter – inklusive krosser Texturen wie einiger frittierter ungeschälter Babykrabben. Ebenfalls stark proteinlastig, dafür aber absolut fischfrei geht es weiter mit

 

 

Fehlings Interpretation des Themas Ei Benedikt. Das im US-Original ein kalorienbombiges Holzfällerfrühstück mit pochierten Eiern, Toast, Speck und Sauce Hollandaise wurde hier im kleinen Glas abgespeckt und dekonstruiert mit etwas Schinkenluft im Basement, halbrohem Eigelb, krossen Minicroutons als Topping und einer stark grün-kräuterig abgeschmeckten Estragoncreme als Hollandaise- (genauer: Béarnaise-) Wink. Bevor das alles nun den schönen rohen Fischgeschmack im Mund vollends verdrängt, kommt auch schon der vierte Küchengruß...

 

 

...das winzig in der Mitte eines Riesentellers angerichtete Langustinen-Carpaccio, Röstzwiebeln & Remoulade. Hier begegnen wir erstmals einer Textur, die uns in vielerlei Geschmack über etliche Gänge begleiten wird: Die "Remoulade" kommt in der Form feiner Perlen aus dem Stickstoffbad (ca. Minus 200º Grad), alllerdings ohne den Raucheffekt der Molekular-Showküche, den man seit drei Jahren nicht mehr sehen mag, weil er von jedem selbst ernannten Avantgardeköchleich bis zur wörtlich zu nehmenden Vergasung tausendfach vorgeführt wurde. Bevor nun überhaupt der erste reguläre Gang serviert wird, sorgt das endlich auf den Tisch gestellte Coperto für Aufregung. Denn wo andere Mehrsterner eine Armada von mindestens einem Dutzend verschiedener abgefahrener Brotsorten aus dem Küchenweltall auf den Gast (und sein Sättigungsgefühl) hetzen, backt Fehling nur einen einzigen Hefelaib.

 

 

Doch dieses mit grober Salzblume getopptes dampfend heißes Highend-Brioche erweist sich als dermaßen fluffy und lecker, dass wir es glatt als seperaten Gang notieren wollen. Es begleitet uns bis zum Lamm und hilft mit seiner geradlinigen Abschmeckung, auch noch die letzten Saucenreste diverser Speisen aus den Tellern zu saugen.

 

In froher Erwartung des Austern-Ganges lassen wir die Vorspesie Fjörd-Shrimps mit Ponzu aus (wäre uns dann doch zuviel Rohfisch gewesen) und entscheiden uns für Fehlings aktuellsten foie gras-Streich Gänseleber "Philadelphia" mit geforenen Frischkäseperlen, grüner Melone & Erdnuss.

 

 

Optisch wirkt die in eine eigens angefertigte Silikonform der Liberty Bell in Philadelphia (Fehling hatte das Metall-Gegenstück als Souvenir von einer USA-Reise mitgebracht) gepresste Pastete im Vergleich zu den anderen, sehr kleinen Komponenten etwas übermächtig auf dem breiten Glasteller, was ihrem höchstfeinen, mit ordentlich Portwein abgeschmecktem Aroma und ihrer nahezu überirdischer Cremigkeit aber keinen Abbruch leistet.

 

 

David Eitel fragt uns zwar nach einem "passenden Sauternes", begrüßt und begrinst aber sofort unsere Entscheidung, den herrlich frischen Spitzer Bio-Weißburgunder auch zur foie gras weiterzutrinken. Schön auch, dass Fehling nicht die Unsitte einer süß-pappigen Pastetenbegleitung nachbetet. Statt dessen bietet die aus unfassbar klein geschnittenen Melonen-Microbrunoise (mit offenbar ein bisschen Xanthan gebunden) geformte Nocke angenehme frische Fruchtigkeit, während wir die Augen schließen müssen angesichts der völlig unerwarteten Flavour-Kombination der Gans mit der (wohl mit dem Pacojet gefrästen) Erdnusscreme, einem weiteren kulinarischen Augenzwinkern in Richtung USA. Obwohl wir uns noch ein paar mehr krosse Texturen als die wenigen frittierten Nussplättchen gewünscht hätten – dieser Gang ist Fehlings Ritterschlag in der Kombinatorik-Disziplin.

 

Beim nächsten Fischgang trennen sich unsere Wege einerseits in den...

 

 

Heilbutt mit Apfel-Staudensellerie-Gel, Bergamotte-Hollandaise & Kardamomöl, flankiert von einem grünen Spargel. Der Garpunkt des Fisches wurde derart exakt erwischt, das geht eigentlich nur, wenn auf dem Pass direkt vor dem Service die Kerntemperatur digital nachgemessen wird – Chapeau! Einzig die Bergamotte-Hollandaise könnte den einen oder anderen Feinstgaumen ein wenig erschrecken, weckt dessen retronasal rezipierter Aroma-Anteil doch arge Assoziationen nach Schrankduft und Bügelspray.

 

Nicht minder rass das Aromenspiel bei...

 

 

Glasierter Aal & Umami-Auster mit Reiscreme, Wasabistaub & Koriander-Emulsion. Der saftspritzende Aal wird flankiert von der krossen Textur gerösteter Buchweizenkeime und der "Besten Auster der Welt" – so schätzt auch Kochmonster-Delikatessenjäger Michael Vetter diese Muschel nach einem Besuch in dem Zuchtbetrieb in der niederländischen Proving Zeeland ein. Beide Meerestiere schwimmen in einem leichten Koriandersud (die Nocke rechts auf dem Teller scheint ebenfalls stark konzentrierter Koriander zu sein) und werden in ihrem eher fleischig denn jodig dominiertem Geschmack von der leichten Schärfe des gefrorenen Wasabischnees hell erleuchtet. Ohne die anderen Teller herabwürdigen zu wollen: Aal & Auster ist ein echter Fehling signature dish.

 

Höchste Zeit jetzt für gediegene Fleischeslust. Wir beginnen mit Filet vom australischen Luxus Rind...

 

 

Wagyu-Beef kalt/warm serviert mit Mixed-Pickles-Strukturen & Ossiertra-Kaviar. Beide Temperaturen werden auf getrennte Tellern gereicht: Kalt als Tatar-Röllchen...

 

 

mit rohem Eigelb in der Mitte und typisch laffen, Korn-freien Zuchtkaviar obendrauf (von mir aus könnte man, solange es keinen legalen frischen Kaviar gibt, dieses Gematsche generell weglassen) – eingewickelt in ein Rote-Bete-Papier. Die warmen Filetwürfel werden auf einem extrem hohen, eher einer Obstschale gleichenden, Glasteller serviert, was Gästen unter 180 cm Größe einiges an Rückenstrecken abverlangt. Die Gymnastik lohnt aber,schließlich haben wir es mit einem waschechten Dreisterner-Färsenteller zu tun: Das Wagyu zart bis zum Abwinken, auch was den eher zurückhaltenden Fleischgeschmack an sich betrifft, weswegen wir im Alltag trocken gereifte irische Hereford-Angus-Schnitte generell dem Bier-massierten Aussie-Teuerstfleisch vorziehen würden. Kongenial aber Fehlings Sidekicks: Mixed Pickles-Aroma im am Tisch zugegossenen Sud, dazu eine der besten Bete, die wir je zwischen den Zähnen hatten, eine schmelzende Maiscreme (witzig in Kolbenform gepresst), etwas eher maulfaulen Blumenkohlgeraspel und einer hochschmackigen Röstzwiebelcreme, der man allenfalls vorwerfen könnte, dass es nun wirklich genug sein sollte mit Interpretationen der holländischen Eiersauce in dieser Speisefolge.

 

Und weil natürlich sous vide gegarte Wagyu-Würfelchen nie wärmer als die Garwassertemperatur (max. 56º) beim Gast ankommen, freuen wir uns nun, endlich mal was richtig Heißes in den Mund zu bekommen...

 

 

Der Rosa Lammrücken mit Kichererbsenpraline, Kokosnuss, schwarzer Knoblauch & Couscous stammt von einem der berühmten Tierbabys aus den weitläufigen Heidelandschaften des Limousin – Fehling hat mit dem Rohfischfeuerwerk zu Beginn genug "Regionalität"-Raketen abgeschossen. Diesen Landquatsch-Trend findet man bei Dreisternern mit dem ihnen eigenen Drang zum jeweils weltbesten Produkt ohnehin so gut wie nie wirklich durchdekliniert – mal ganz abgesehen von dem dürren Angebot im Nicht-Fischbereich hier oben im eher genussfeindlichen Norden der Republik. Fehling bettet sein butterzartes, mit krosser Speckschicht vervollkommnetes Lamm (mit ausgeprägtem Lammgeschmack – Fehling lässt die Tiere gern noch ein bisschen hinten im Kühlraum hängen) in einen arabischen Aromenhintergrund ein, was bei gefühlten 99 Prozent seiner deutschen Kochkollegen voll in die Hose gehen würde, weil der Umgang mit Raz El Hanout oder Cumin dosiertechnisch zum Schwierigsten überhaupt gehört. Hier zeigt sich, wie aufmerksam Fehling in seinem Jahr (2002) am Herd des Hamburger "Piment"-Sterns Wahabi Nouri dessen nordafrikanische Würzkunst studiert hat. Auch in der leicht gewagten Kombination mit einer Kokosnusscreme und zwei weiteren Lammzubereitungen (Bries und eine frittierte Praline von der Langzeit-geschmorten Haxe) ist das hier trotz einer mit ihren dominanten Maillard-Noten deutlich zu bitter schmeckenden Jus ganz, ganz großes Lammkino.

 

Beim Vordessert trennen sich erneut unsere Wege in eine kleine Auswahl edler Rohmilchkäse vom Sternelieferant Nummer Eins, dem Erlanger Affineur Volker Waltmann...

 

 

...und dem zweiten absoluten signature dish des Abends: Japanisches Unterholz mit Pilzen, Moos und Waldkräutern...

 

 

...natürlich alles Mimikry, nichts davon stammt aus dem Wald, den Fehling hier kunstfertig nachbaut aus einem "Stamm" (Karamellrohr), "Pilz" (Strunk aus marinierter Nashibirne, Haube aus Matcha-Tee-Gelee), "Krume" aus Schokoladenschnee und einer ausgeprägt scharfen Zubereitung mit schwarzem Sesam und einem weißen, entfernt an Kokos erinnernden Pulver. Das alles ist ganz niedlich, doch richtig spannend wird es durch zwei unglaublich saure Tropfen konzentrierter Kumquats-Creme und dem "Moos" – gefrorene tiefdunkelgrüne Schaumluft aus dem wahrscheinlich am bittersten aufgegossenen Matcha-Tee westlich von Osaka.

 

 

Ein im guten Sinn "modernes" Gericht, der eine witzige Geschichte erzählt, weitaus kunstfertiger aufgebaut/dokoriert als die skandinavischen Vorbilder solcher Anrichtstrategien aus den letzten beiden Jahren – und in seiner mutigen geschmacklichen Absolutheit auch ein Signal Fehlings an die anderen Dreisterner: Hallo, aufgepasst, bei mir gibt's sogar waffenscheinpflichtige Teller!

 

Vereint sind wir wieder beim Dessert. Fehling hat das "Unterholz" auf der Karte nach dem Hauptdessert stehen, was eigentlich sinnvoller ist, denn nach diesem Hammer kann man eigentlich gar nichts mehr essen. Dennoch ist Fehlings Kreation (der Pâtissier ist bei ihm eher ausführendes Organ...)

 

 

Marillenknödel mit Streuselkucheneis, Vanille & Limonenblattgelee mit warmer, weißer Schokolade natürlich weit mehr als ein Knaller aus der fortgeschrittenen Zuckerbläserkunst. Unter der allenfalls einen Zehntel Millimeter dünnen Apricot-Metallic-Pastillage verbirgt sich

 

 

eine extrem fruchtige Marilleneiszubereitung und der voll in die gustatorischen Kindheitserinnerungen zielende frozen crumble, meisterlich konterkariert von den eher spitz schmeckenden Stiefmutterblütenblättchen und – da sind sie wieder – Stickstoffgefrorene Creme-Perlen. Das a part gereichte Gelee greift elegant wieder die asiatische Grundnote desGgesamtmenüs auf, mag aber mit der lipid-viskosen lauwarm-Schokocreme oben drauf nicht wirklich eine dauerhafte Liebesbeziehung eingehen. Egal, der Rest ist Weltklasse, ebenso wie die drei Postdesserts

 

 

Variation vom Grünen Apfel,

 

 

Interpretation des Themas Chai Tea Latte...

 

 

 

...und ganz am Ende – zum Glück anstelle der sonst immer gereichten schweren Pralinen – ein kleines Mon Cheri mit Zuckertropfen, die mit feinstem Wildkirschbrand gefüllt sind.

 

 

All das gibt's im Belle Epoque für 140 Euro pro Person (8 Gänge 170 €; 9 Gänge 180 €), und das Essen ist jeden einzelnen Cent wert. Fehling hat als jüngster Dreisterner noch ein wenig Welpenschutz, eine kleine Schonfrist, um seine ureigene, unique Handschrift auch in die Tiefe und Breite des Speisenangebotes einzupflegen – im Moment gelingt ihm und seinem ungewöhnlich kleinem Küchenteam (6er Brigade) das bei aller absoluten handwerklichen Perfektion noch nicht bis zur letzten Kombination und Komponente. Die Handschrift ist dennoch ganz klar erkennbar: Reduktion der in der Sterneküche oft überbordernden Komponentenkakophonie hin zu klaren kulinarischen Statements. Bei Fehling plappern die Zutaten und Zubereitungen auf den jeweiligen Tellern nicht wüst durcheinander, nur ab und zu herrscht noch ein bisschen Babylon.

 

Wir drücken ihm alle Daumen, dass er sich genau dies nicht wegschleifen lässt von den Granden der internationalen Großgastrokritik.

 

 

 

INFO: La Belle Epoque Travemünde/Kaiserallee 2; im Columbia-Hotel; Mi-So 18-23 Uhr; Menüs 105-180 Euro; Küchenchef: Kevin Fehling; 3 Michelin-Sterne/17 Gault Millau-Points; www.columbia-hotels.de; fon 04502-8 86 42 20

 

Schiffe & Sterne

 

Für viele ist bereits an Travemündes „Schöner Aussicht“, die Flaniermeile Vorderreihe an der Flussmündung, Schluss. Dort lässt sich lange sitzen und Schiffchen kucken, doch leider sitzt man da oft viel besser als man isst, in Lokalen, die Traveblick(sehr gute Bratkartoffeln) oder „Ristorante Casablanca“ heissen, und an denen entlang sich riesige Skandinavienfähren wie die „Nils Holgersson“ nicht nur während des Remmidemmi der „Travemünder Woche“ (Info: 04503-89 28 70).

 

Restaurant "Traveblick"

 

Shopping ist hier zwar an sieben Tagen die Woche möglich, aber eher für die Kukident-Kernzielgruppe attraktiv. Einzig das Minikaufhaus „Matzen“ offeriert ein paar jüngere Marken, bei Bijou Brigitte ein paar Häuser weiter haben sie sogar schon eine „Men Style“-Ecke für männliche Ohrlochgestochene. Macht nichts, denn allein das intergalaktische Tortenangebot bei der Cafe-Filiale des Lübecker Marzipan-Giganten „Niederegger“ (Vorderreihe 56) lässt den Insulinspiegel ebenso hochschnellen, wie die Bismarckheringe von Travemünders knackigsten Fischbrötchen bei Fisch Oldörp“ (Kurgartenstr. 10) die Speichelsäfte zum Schäumen bringen.

 

Marzipan-Attacken bei "Nederegger"

 


Tower Of Power – jetzt auch mit Wellness

Bis hierher wirft das „Maritim“-Hochhaus seinen Schatten. Bislang war der Kasten bei Touristen vor allem wegen seines einmaligen Blicks aus dem Restaurant „Über den Wolken“ im 35. Stock beliebt.

 

 

Doch das Hotel mit seinem prächtigen Ausblick wahlweise auf die offene Ostsee oder die Altstadt samt Vorderreihe und den prächtigen Flying-P-Großsegler „Passat“ hat noch viel mehr zu bieten. Das „Maritim Strandhotel Travemünde“, so sein voller Name, wirkt von außen zwar wie ein in die Höhe gezogener Plattenbau mit Europas zweithöchstem Schiffs-Leuchtfeuer obendrauf. Drinnen aber wird’s immer interessanter, nicht nur weil das Haus witzigerweise mehr Privatwohnungen als Hotelzimmer (220 DZ, 10 Ez, 10 Suiten) beherbergt – mit den höchsten Quadratmeterpreisen der Lübecker Bucht. Für ein 35 Qadratmeter-Löchlein muss man mindestens 140.000 Euro auf den Tisch legen. Dafür gibt es wahlweise die Ostsee...

 

...oder den Blick über die Travemündung samt „Passat“, das Skandinavienkai mit den dicken Schwedenschiffen und das grüne Ostholstein ist spektakulär.

 

 

...vor allem, wenn sich alte und neue Schiffe begegnen:

 

 

 

Im frisch renovierten Dachrestaurant sieht man bei schönem Wetter aus 115 Metern Höhe gar die Spitzen der Lübecker Marzipan-Stadttore.

 

 

Unter der Leitung von Küchenchef Hans Joachim Peschmann ist hier in den letzten Jahren auch die Speisenauswahl immer feiner geworden – bis hin zu Crossover-Fischmenüs der Extraklasse:

 

 

Matjestatar mit Zitronengras-Apfelsorbet, süß-saurer roter Zwiebel und Sauerrahm

 

 

Lauwarme Lagustinen mit Roter Bete, Gurkenrelish, Korianderyoghurt und Kartoffel-Stockfisch-Püree

 

Klarer Auszug vom Kashmirsafran mit marinierter Makrele, Tomatensorbet und Schneidebohnen

 

Gebackenes Röllchen von der Meeresforelle mit Wakame, Tobiko und Wasabischaum

 

 

Heilbuttfilet in Thymianmilch pochiert mit Selleriepüree, getrüffelter Ochsenschwanzglace und Mangoldgemüse

 

Arme Ritter vom Walnussbrioche mit Sauerrahmeis und Preiselbeerkompott




Neuer Wellness-Tempel

Direktor Oliver Gut und seine Mannschaft sind in ihrem Vorhaben, Gästestruktur und Ausrichtung zu verjüngen, nun einen gewaltigen Schritt voran gekommen: Im März 2012 eröffneten sie den neuen 1.100 Quadratmeter großen Wellnessbereich als perfekte Ergänzung zu dem bereits vorhandenen Tageslicht-Hallenbad im Erdgeschoss.

 

 

Unter dem Motto "spa & beauty care" verwöhnt diese Oase mit Duft, Farbe und Klang.

 

 

Zu jedem der drei Bereiche (Spa, Pool, Sauna) gehört ein eigener Ruhebereich.

 

 

Das Spa glänzt mit vier Behandlungsräumen für Massagen oder Packungen aller Art bis hinauf zur zweitägigen Beauty-Kür mit Honig-Milch-Bad, Peeling und Thalasso. Oder einfach mal unter dem Massagebad-Sternenhimmel abhängen:

 

 

Der Spa-Bereich ist nicht nur Hotelgästen vorbehalten – an der Rezeption sind ebenfalls Tageskarten incl. Leihbademantel erhältlich.

 

 

 

INFO: Maritim Strandhotel Travemünde/Trelleborgsallee 2; Tel. 04502 89-0; info@remove-this.trv.maritim.de, www.maritim.de, 220 Zi, TG mit 900 Plätzen, viele Tagungs-Einrichtungen.

 

 

 





Spa & Spass

Von den Landseite-Zimmern des Maritim aus gesehen, erscheint der Außenpool und der 4.500 Quadratmeter großen Spa-Bereich des „A-Rosa Grand Spa Resort“ in Sprungweite, das sich nach dem Abriss des bulgarisch anmutenden Kurhauses und dem stylischen Neubau zu dem bei Wellness-Begeisterten begehrenswertesten Haus der Lübecker Bucht emporschwang.

 

A-Rosa Grand Spa Resort

 

Einrichtungsmäßig herrscht hier striktes Plüschverbot und Mut zur Reduktion, was mancher Gast als etwas zu kühl empfinden könnte, würde er nicht einen halben Tag brauchen, um alle Saunen, Gyms, Original-Thalasso-Therapien und Treatments durchzuschwitzen. Schöner Zug: je nach Auslastung gibt es auch Spa-Tageskarten für Nicht-Hotelgäste.

 

 

Zwei Sterne im A-Rosa

Kulinarisch ist das A-Rosa für die Pensionsgäste mit Frühstücks- und Dinner-Buffet eher im unteren Mittelfeld angesiedelt (mit teilweise recht ruppigem Service), der absolute Bringer aber sind die gerade mal 28 Plätze im bordeigenen Sternelokal „Buddenbrooks“. Dort kocht Chef Christian Scharrer („Schwarzwaldstube“, „Bühlerhöhe“) auf höchstem Niveau (8 Gusto-Pfannen, 2 Michelin-Sterne, 17 Gault Millau Punkte), mit konzentriertem Blick auf erstklassige Zutaten und die Harmonie der Aromen.

 

Buddenbrooks-Restaurant

 

Scharrer würzt furchtlos und schüttelt selbst Trickreiches und Schalkiges scheinbar schwerelos aus der Kochschürze: Foie Gras in einer aufgeflexten Eierschale, Spargel mit Langostinos und Kaviar, „Marmor“ aus gepressten Garnelen, Jakobsmuscheln und Algen, oder eine mutig dekonstruierte „falsche Quiche Lorraine“. Manchmal rührt Scharrer den Sternebrei auch im Verbund mit hochkarätigen Kollegen wie Dreisterner Sven Elverfeld (Ritz Carlton Wolfsburg) oder Hamburgs bester Kochmütze Tomas Martin (Louis C. Jacob).

 

TIPP: Christian Scharrer ist auch mit sechs Sterne-Rezepten beim Kochmonster vertreten. Zum Beispiel

 

Marinierter Stangenspargel mit Langostinos an Kaviar-Nage:

 

 

INFO: Buddenbrooks Travemünde/Außenallee 10; im A-Rosa-Hotel; Di-Sa: 18:30 - 22 Uhr; HG 28-36 Euro; Menü 105-145 Euro; Küchenchef: Christian Scharrer; 2 Michelin-Sterne/17 Gault Millau-Points; fon 04502-3 07 08 35

 

Christian Scharrer

 

Um die Ecke, aber noch zum Hotel gehörig, unterfüttert die „Weinwirtschaft“ die Degustation in der angeschlossenen Enoteca mit Leckereien wie „Geschmorten Kalbsbäckchen mit Polenta“ (19 Euro) oder „Yellow Fin Thunfisch mit Schwarzer-Bohnen-Kruste“ (18,50 Euro).

 

INFO: Weinwirtschaft Travemünde/Außenallee 10; im A-Rosa-Hotel; Mo-Fr 17-22 Uhr; Sa-So 12-22 Uhr; HG 26-43 Euro; Menü 26 Euro; www.a-rosa.de; fon 04502-3 07 08 47

 

"Weinwirtschaft" im A-Rosa-Hotel




Gastro-Diaspora

Weniger spannend: das einstmals recht gute Restaurant „Seestern“ ein Haus weiter hat schon lange dichtgemacht, und auch die 08/15-Karte der gegenüberliegenden „Pizzaria Bellavista“ mit Blick auf die Hauptstraße und den Bahnhofsturm mit der riesigen Anzeigetafel „Nächster Zug nach Lübeck“ ist keine Offenbarung.

 

"Nächster Zug nach Lübeck"

 

Kaum teurer, aber viel exquisiter kocht Bruno Hillmann im „Holstein’s“ (Tipp:“ Zanderfilet auf Roter Bete in Rieslingsauce“ für 15,50 Euro), dem gemütlich-unkitschigen Fischlokal im Erdgeschoss des noblen Columbia“-Hotels, das seinerseits im Mai 2009 endlich mit der begehrten 5 Sterne Plus-Kategorie ausgezeichnet wurde.

 

 

INFO: Holstein’s Travemünde/Kaiserallee 2; im Columbia-Hotel; Mo-So 12-23 Uhr; HG 15,50-32,50 Euro; Menü 24-50 Euro; Küchenchef: Bruno Hillmann; Mitglied bei „Feinheimisch“ (www.feinheimisch.de); www.columbia-hotels.de; fon 04502-8 86 42 20

 




Familienspaß & Spiel

Ganz andere Kämpfe gibt es dagegen in den Familienkutschen, die vor allen in der Hauptsaison die kilometerlangen Staus in der Bucht bestücken. Wenn die Kleinen mal wieder das Quengeln anfangen: einfach die drei Minuten nach Warnsdorf zum „Karl’s Erlebnis-Hof“ fahren und den verwöhnten Städtern Landlust light bescheren – Kerzen ziehen, Erdbeeren pflücken, Stockbrot backen, Pony reiten, Zicklein streicheln.

 

Und wenn die Kids auf der Weiterfahrt nach Timmendorf alle Kirschkerne aus dem Autofenster gespuckt haben und lautstark „Nachschub“ rufen, hilft „Garrn’s Saftladen“ am Hemmelsdorfer See (Hemmelsdorf, Seestr. 24) mit der weit und breit größten Auswahl frischer Früchtchen weiter.

 

Eine Straße weiter zum See runter gibt’s zur Zwischenstärkung beim Fischwirtschaftsmeister Henning Schierbaum (Hemmelsdorf direkt am See) nicht nur die konkurrenzlos frischesten und leckersten Fischbrötchen der Lübecker Bucht, sondern unzählige Spezialitäten von Fischen, die Schierbaum direkt vom Netz aus dem Hemmelsdorfer See in seine Räucheröfen hängt.




Auf den Hund gekommen

 

Wer dann noch ein vierbeiniges Familienmitglied schwimmen lassen möchte, sollte nicht auf den Travemünder Hunde“strand“ am Nord-Ende der Promenade nach dem Segelclub hereinfallen – dort bricht sich der kleine Racker mit tödlicher Sicherheit die Pfoten auf den glitschigen spitzen Felsen am Meeresrand, wenn er sie sich nicht schon vorher an den unzähligen Scherben im Sand aufgeschnitten hat. Strand bis ins Wasser? Fehlanzeige! Tipp: besser den Hundestrand „Abschnitt an der Acht“ am Hafen zwischen Niendorf und Timmendorfer Strand oder den Strandabschnitt 23 in Haffkrug ansteuern.

 




Immer mit Aussicht

 

Nach dem Hundeabschiebe-Sandstück geht’s nach Norden nur noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad weiter, denn die wenigen Autostraßen zum landschaftlich dramatischen Brodtener Steilufer sind samt und sonders gesperrt. Ausnahme: der Weg zur Ausflugsgaststätte „Herrmannshöhe“, von der aus man bei Erbsensuppe mit Wurst (3 Euro) und einem „Pott Kaffee“ (1 Euro) die wohl bombastischte Aussicht auf die Lübecker Bucht genießen kann.