Fliegauf in St. Peter-Ording

Gastgeber & Gastkoch: Christian Grote & Rolf Fliegauf nach der Küchenschlacht

Jeden Winter bringt seit 29 Jahren das Schleswig-Holstein Gourmet Festival (SHGF) die Leckermäuler im Norden zum Vibrieren. In dieser Saison haben die prominenten Gastköche insgesamt 29 Michelin-Sterne im Gepäck. Doch nur einer von ihnen kann gleich vier davon aus dem Messerkoffer holen: Rolf Fliegauf betreibt in der Schweiz zwei Restaurants, die jeweils mit zwei Michelin-Sternen dekoriert sind.

 

Da kam die junge Brigade von Küchenchef Christian Grote mal richtig ins Schwitzen: Neben den als Spoonfood gereichten Amuse Gaules aus eigener Fertigung unterstützten die Köche des Restaurants Sandperle im 4-Sterne-Superior ambassador hotel & spa in St. Peter-Ording aus der Kette Privathotels Dr. Lohbeck den mit 60 Kilo kulinarischen Übergepäcks aus Sankt Moritz eingeflogenen Sternekollegen bei der Zubereitung von fünf Gängen an zwei Abenden. Fliegauf betreibt dort im Winter das Restaurant Ecco im 5-Sterne-Haus Giardino Mountain, im Sommer das gleichnamige Lokal im Giardino Ascona am Lago Maggiore. Gemeinsam schickte das Team (Fliegauf war allein gekommen) an diesen beiden Tagen knapp tausend Teller, denn die Veranstaltungen waren mit je ca. 100 Gästen ausverkauft.

 

Wie es sich für einen Zweisterner gehört, zeigte Fliegauf gleich mit der ersten Vorspeise nach dem Champagnerempfang, wo der Bartel den Most holt. Seine Komposition

 

Rindertatar | Entenleber | Bohnensaft

 

 

 

kombinierte meisterlich die buttrige Foie-Textur mit dem herzhaften Rind, den grün-scharfen Bohnenaromen, den im Mund poppenden Bete-Macarons und dem unglaublichen Schmelz der Entenleber-Eisnocke.

 

Das Menü ging mit einem tollen Beispiel gelungen gelebter Multikulti-Kulinarik weiter. Die stattlichen Tranchen vom

 

Kaisergranat | Karotte | Mumbai Curry

 

 

waren auf den Punkt gegart. Dabei kitzelte der mild abgschmeckte Curry-Spiegel den Gaumen sogar deutlich weniger als die superkrossen Kräcker von der deydrierten Fischhaut, die Fliegauf (wie alle anderen knackigen Texturgeber des gesamten Menüs) sicherheitshalber in der Schweiz vorproduziert und im Flieger-Übergepäck an die Nordsee gebracht hatte.

 

Nicht minder raffiniert der Fischgang

 

Bretonischer Heilbutt | Blumenkohl | Aalvelouté

 

 

Foto © S. Plaß

 

bei dem ein Hühnerhaut-Chip für den gewünschten Zähne-Sound sorgte. Der großartige Fisch, ein echter Dickfilet-Oschi, war aromatisch genial umspielt von der zarten Kohlsüße des Gemüses und der herrlich speckigen Rauchnote der Aalsauce.

 

Wer dreiderart große Gänge auffährt, darf beim Fleisch auch mal einen Gang zurückschalten. Die

 

Variationen vom Kalb | Petersilie | Quinoa

 

Foto © S. Plaß

 

klangen auf der Speisekarte besser, als das Ergebnis sich am Gaumen anfühlte. Große Klasse zwar der mit Bries gefüllte Dim Sum, der Rest aber eher Bistroniveau: Dem Kalbfilet fehlte neben ein paar Röstaromen vor allem die Struktur. Das Fleisch war offenbar nicht Sous Vide gegart, sondern pochiert – und versprühte denn auch reichlich Krankenhausessen-Charme. Und auch die vielversprechende Kombination von deutscher Petersilie und dem "Gold der Inka" war leider ziemlich verkocht. Freuen wir uns also auf die Nachtische, von denen dem Pre-Dessert,

 

 

Foto © S. Plaß

eine kleine Sanddorn-Fingerübung mit Butterteig-Gebäck, der aber die an dieser Menü-Stelle sinnvolle Frische und Unzuckrigkeit fehlte. Von der Idee weitaus besser das Dessert

 

Joghurt | Birne | Sauerampfer

 

 

mit einem fluffigen Joghurtespesante, einem sehr spannenden Chip aus kross karamellisierter Milchhaut (nicht unter dem Salamander, sondern in großer Pfanne auf Induktionsherd) und einigen Sauerampfer-Bearbeitungen von naturell bis Avantgarde. Das alles hätte eine interessanten Spannung zu den marinierten Birnenbrunoise auf dem Tellerboden aufbauen können. Doch leider fehlte den Früchten wie so oft bei dieser Sorte jenseits der regionalen Erntezeit im Herbst jegliche Birnigkeit – man brauchte gar die Speisekarte, um herauszufinden, was für ein Obst hier kleinstgewürfelt wurde.

Macht nichts, denn der Rest des Desserts war so grandios wie die komplett selbst gemachte Trüffelvielfalt aus der Haus-Patisserie – und meisten der Gänge. Angesichts der bekannten Probleme solcher Doppelstern-Gastspiele auf fremdem Boden ein großes Kompliment an Fliegauf, Grote & das gesamte Küchen- und Serviceteam!

 

Und am Ende des Abends gab es noch viele anregende Gespräche mit beiden Köchen, bei denen auch das Kochmonster viele Fragen hatte...

 

 Foto © S. Plaß

 

 

Viele der Gäste nutzten die Gelegenheit und hängten noch einen weiteren Tag an die Veranstaltung dran und genossen die frisch Nordseebrise und die Annahmlichkeiten des großen SPA-Bereiches im Hotel Ambassador.

 

 

 

 

Insgesamt 33 Veranstaltungen in 15 teilnehmenden Restaurants umfasst das  29. Schleswig-Holstein Gourmet Festivals (SHGF), bis zum 6. März 2016. Die Idee dahinter ist einfach wie genial: Gehobene Restaurants im Norden laden einen bekannten Gastkoch ein, um mit dem Chef des Hauses vier bis fünf Gänge (Preisspanne: 112 bis 185 Euro) zu zaubern. Dieses Jahr unter anderem auf Nord-Wanderschaft: Harald Wohlfahrt, Jörg Sackmann, Kenneth Hansen, Cornelia Poletto, Kolija Kleeberg, Thomas Martin, Michael Kempf, Patrick Spies, Achim Schwekendiek, Christopf Rüffer, Jacqueline Amirfallah und Rolf Fliegauf. Buchung nur über die jeweiligen Hotels und Restaurants. Preise, Infos und Termine unter www.gourmetfestival.de