Antalya

Strebt nach internationaler Anerkennung: Chef Erol Kayabas

Türkei ohne Döner

„Für den schlechten Ruf der türkischen Küche sind wir Türken ganz allein selbst verantwortlich“. So spricht Erol Kayabas (32), Chefkoch im Marmara Antalya, das designmäßig bei Philippe Starck geräubert hat und auch kulinarisch nach Höherem strebt. Da in der Türkei Hotelrestaurants ein viel größeres Renommée besitzen als in vielen anderen Ländern, hat Kayabas die perfekte Plattform für sein ehrgeiziges Streben schon gefunden.

 

Wobei... Antalya: Ist das nicht das Sinnbild dieser grausigen Mischung aus Teutonengrill und Russendisko? All inclusive, nackt am Strand, Döner-Straße, echt gefälschte Ed Hardy-Shirts? Auch. Doch um die Ecke liegt eines der best erhaltenen römischen Theater der Antike, das Aspendos, in dessen sagenhafter Kulisse atmosphärische Klassik- und Popkonzerte stattfinden. Und hier versucht eine junge Koch-Generation (wobei jeder „jung“ ist in der Türkei, hat es den Anschein – tatsächlich sind nur 10% der Bevölkerung über 65), mit der Qualität Istanbuls aufzuschließen.

 

Das klappt noch nicht ganz, was allerdings nur daran liegt, dass Auslands-Erfahrungen hier noch Seltenheitswert haben. Selbst Erol Kayabas hat nur eine einzige Woche im Ausland verbracht – in Italien. Diese sieben Tage reichten aus, um seiner Küche einen neuen Stempel aufzudrücken. Seitdem fahndet er nach traditionellen Gerichten, auch aus dem muselmanischen Tandur-Ofen, nimmt ihnen die Schwere und mixt sapore italiano drunter. Die Hotelgäste, die aus der ganzen Welt und überraschend zahlreich aus dem Fernen Osten kommen, nehmen es ihm dankbar ab.

 

Er mogelt ihnen Gemüseterrinen im Fingerhut-Format unter. Setzt den mit Sumac aromatisierten Wolfsbarsch auf Orzoküchlein, die er mit Spinat, gelber Paprika, Olivenöl und einem Hauch Knoblauch anrichtet. Serviert gegartes, zerkleinertes Hühnerfleisch mit Walnusssauce als Dip. Macht einen auf Retro und definiert Obst wieder als Beilage zu Hauptgerichten, beispielsweise Grapefruit zu seinem italienisch-türkischen Risotto oder Granatapfel zu seinen türkischen Ravioli.

 

Neben ihm arbeiten vier Chefs und 30 Köche daran, bis zu 250 Gäste zu verköstigen. Immerhin € 10 000 hat er für den wöchentlich wechselnden Speiseplan zur Verfügung. Als Realitätscheck: 1 kg reife Tomaten kosten auf einem normalen Wochenmarkt 50 Cents. Deshalb kann er es sich leisten, nicht auf dem Großmarkt einzukaufen, sondern bei speziellen Lieferanten für Fisch und Meeresfrüchte, Fleisch, Obst und Gemüse. TK-Kost gibt’s gar nicht; schon bei der Frage verdreht er die Augen. Was hält er von türkischen Köchen in Deutschland? Da zieht er einen Flunsch, anders lässt sich das nicht beschreiben. „Nix“. Nix? „Ihnen fehlt die Kreativität und der Wille, türkische Küche nach vorne zu bringen. Sie sind nicht an Qualität interessiert, sondern tun einfach nur das, was man ihnen sagt.“

 

Aus dem gleichen Grund hält er im Gegensatz zu vielen anderen Köchen die syrisch-libanesische Küche für endenwollend. „Zu viel Konzentration auf Tradition. Wir Türken schließen langsam mit dem Rest Europas auf“. Will er denn in die EU? „Natürlich!“ Ist die Türkei gar bereit für das Michelin-System? „Natürlich!“ Wo will er in fünf Jahren sein? „Im Ausland und den Menschen dort die wunderbare türkische Küche nahebringen.“

 

Keine Frage, an Nationalstolz mangelt’s nicht in diesem Land, das schon seinen Kleinsten zweimal in der Woche in der Schule via Fahnenappell beibringt, stolz auf das Türkentum zu sein.

 

Doch es mangelt auch nicht an einer jungen Generation, die ihr Land im Ausland so präsentieren möchten, wie sie es selbst sehen – jung, dynamisch, kreativ und mutig. Dass das Marmara Antalya das einzige Hotel weltweit ist, welches auf einer ehrgeizigen Konstruktion 15 Zentimeter im Wasser steht und sich um sich selbst dreht, passt auf dieses Ansinnen perfekt.

 

Gabriele Gugetzer