bierknigge

Dr. Wolfgang Stempfl, geschäftsführender Schulleiter der Münchner Brauereiakademie Doemens

Was man darf und was nicht

 

Wo werden die Krüge geknallt, wo fliegt man dafür aus der Kneipe? Wie lange braucht ein Pils wirklich, wann kann man sich beschweren? Darf ich im Dreisternelokal statt Wein auch Bier bestellen? Dr. Wolfgang Stempfl, geschäftsführender Schulleiter der Münchner Brauerei- und Genussakademie Doemens und geistiger Vater der deutschen Biersommelier-Ausbildung über die täglichen Fallen des Biertrinkens.

 
Schon beim Einschenken ins Fettnäpfchen: Was kann ich bei der Glaswahl falsch machen?

 

So viel wie bei Wein mit seiner Vielfalt der zur Verfügung stehenden Gläser. Das ist beim Bier nicht anders. Unsere Geschmacksnerven sind auch untrainiert in der Lage, zu erkennen, dass nicht jedes Bier in jedem Glas gleich gut schmeckt. Wenn Sie zum Beispiel versuchen, Weißbier aus einem Liter-Tonkrug zu trinken, merken Sie schnell: das ist nicht das richtige Gefäß dafür. Im Ausland kann es ihnen schnell passieren, dass sie ein Weizenbier in einem Pilsglas serviert bekommen. Wir haben einige Testreihen durchgeführt, bei denen sich herausstellte, dass Biersorten von den Verbrauchern sehr sicher erkannt werden, so lange man sie in den korrekten Glasformen anbietet. Aus falschen Gläsern werden etliche Sorten nicht erkannt – was aber nicht nur mit dem Wiedererkennungseffekt, sondern auch sehr viel mit unseren Geschmacksnerven zu tun hat.

 
 
 
 
Gut, wie viele Bierglassorten muss ich also zu Hause haben?

 

Zum Einstieg genügen vier Grundformen – eine dünne Flöte, ein sich nach oben öffnendes Glas (z.B. Weißbierglas), eine Tulpe und ein typisch belgischer Pokal, wie man ihn auch von der Berliner Weiße kennt. Mit diesem Sortiment kann man auch zu Hause einmal mit Freunden Querverköstigungen veranstalten. Das ist ein ganz faszinierendes Spiel: Das selbe Bier schmeckt aus vier verschiedenen Gläsern völlig unterschiedlich – erst recht, wenn man es testweise mal aus einem großen, nur zu einem Drittel eingeschenkten Weinglas trinkt. Man sollte mit vier Biersorten beginnen: ein gut gehopftes Pils, ein Doppelbock, ein Weizen und ein Exportbier.

 
 
 
 
Wie laut darf man in der Gastronomie beim Zuprosten die Gläser zusammenknallen?

 

Das Anstoßen hat ja viel mit Geselligkeit zu tun – und mit der Art der Gastronomie. In einem Sternelokal wird das Anstoßgeräusch meist als unangenehmer gefunden als in einer normalen Gaststätte oder gar auf dem Oktoberfest. Aber in Bierzelten geht es ja eher um die Menge des getrunkenen Bieres und erst in zweiter Hinsicht um den feinen Genuss, so wie wir ihn eigentlich fördern wollen.

 
 
 
 
Darf man in einem Dreisternelokal überhaupt Bier bestellen?

 

Ich bin immer wieder überrascht, wenn mich der Kellner von seiner Weinempfehlung überzeugen will und ich ihn statt dessen nach der Bierkarte frage – dann blicke ich meist in ein enttäuschtes Gesicht, das nicht glauben mag, so einen Prolo vor sich sitzen zu haben. Wenn der Gast dennoch auf Bier besteht, gibt es das natürlich, aber nur ein oder zwei Sorten aus der Flasche. Überall in der Spitzengastronomie sind sie mit dem Thema Bier leider noch heillos überfordert. Aber als Gast lasse ich ja ein paar Euros dort und möchte dafür den absoluten Genuss erleben. Und da hätte ich, wenn ich keinen Wein möchte, schlechte Karten.

 
 
 
 
Muss man als Bierfreund ein schlechtes Gewissen haben, weil die Gastronomie ja bekanntlich vor allem an den Getränken verdient?

 

Restaurants in anderen Ländern wie Italien oder Spanien kalkulieren hier ganz anders, und haben auch nicht weniger wirtschaftlichen Erfolg. Außerdem: Die Gastronomie hat doch schon heute viele Möglichkeiten, hochpreisige und lagerfähige Bierspezialitäten auf die Karte zu nehmen. Es gibt Biere, die im Restaurant über 60 Euro die Flache kosten. Da hat der Gastronom keine schlechtere Spanne als beim Wein. Natürlich muss der Verbraucher selbst erst einmal den Druck aufbauen.

 
 
 
 
Darf man im Restaurant Bier aus der Flasche trinken?

 

Das muss jeder selber wissen, man sollte niemanden bevormunden. Ich persönlich glaube, dass Bier viel besser schmeckt, wenn es in einem schönen Glas funkelt und man die Schaumkrone sieht.

 
 
 
 
Viele brauen ihr Bier ja inzwischen auf dem Balkon selbst, mit extrem unterschiedlichen Ergebnissen. Darf man sein Selbstgebrautes den Freunden aufdrängen?

 

Die Amerikaner sehen das viel lockerer. Die dortige Microbewery-Szene ist ja auch deshalb viel weiter als bei uns, weil sie völlig unbefangen das Trial&Error-Spiel spielen. Beim Brauen zählt einzig die Erfahrung, und da fällt man auch oft mal auf die Nase mit dem eigenen Bier. Zum Glück gibt es j auch in Deutschland eine wachsende Community der Selberbrauer, die ihre Biere gegenseitig verkosten. Es kann ja auch nichts passieren: In Bier wachsen keine pathogenen Keime, schlimmer als einen schlechten Geschmack im Mund zu haben kann es also nicht kommen.

 
 
 
 
Darf man beim Bewirten seiner Gäste Bier auch zu Käse oder Schokoladendesserts anbieten?

 

Wenn man sich auskennt, schon. Die meisten würden Wein dazu reichen, aber es gibt tatsächlich überraschend viele Biere, die mit Käse oder Schokolade wunderbar schmecken. Die richtige Kombination zu finden, ist interessanterweise nicht viel schwieriger als bei Weinen, man muss es nur lernen. Viele der von uns ausgebildeten Biersommeliers bieten zum Beispiel geführte Verköstigungen an oder vertreiben seltene Spezialitäten zusammen mit exakten Anleitungen, welche Speisen dazu passen. Ein interessantes Forum ist www.biersensoriker.de

 
 
 
 
Letzte Frage: Wie lang braucht ein gutes Pils?

 

Man zapft in einem durch, wartet kurz, bis sich die Schaumkrone gefestigt hat, und gibt dann noch einen kleinen Schuss oben drauf. Das dauert eine Minute. Die Zeiten, als man sieben Minuten lang das Pils totgezapft hat, sind längst vorbei. Nach sieben Minuten ist die Spritzigkeit des Bieres komplett herausgezapft. Wenn der Kellner nach zehn Minuten mit einem schalen Pils ankommt – schicken Sie ihn einfach wieder weg!

 

 

 

 

 

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