David Thompson

Thai Food

kochbuch

Thai Food
David Thompson:
"Thai Food"
Erscheinungsjahr: 2002
673 Seiten
Mehrere Hundert Rezepte
75,00 EURO
ISBN: 978-3899101829

Bewertung

Rezeptgenauigkeit
Originalität
Nachkochbarkeit
Gesamtbewertung
Thai Food Bewertung: 5 Sterne von 6 möglichen.

Kochmonster-Kritik

Dass sich das Leben nachhaltig verändern kann, wenn man mal links statt rechts abbiegt, kann David Thompson bestätigen. In letzter Minute musste der gebürtige Australier sein Ferienziel ändern und stieg maulig in Thailand aus dem Touri-Flieger. Nach seinem ersten Tag in Bangkok entwickelte er sich im Schnelldurchlauf zur international anerkannten Autorität in thailändischer Küche.

 

In Sydney gründete er mit „Darley Street Thai“ und „Sailor Thai“ zwei überaus erfolgreiche Thai-Restaurants, bevor er vor einigen Jahren im edlen Londoner Hotel Halkin das Restaurant „Nahm" übernahm, das prompt als erstes Thai-Restaurant Europas mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.

 

Der Erfolgsrausch machte beim Buch nicht halt. Was als kleines Projekt über Thai-Snacks angedacht war, entwickelte sich mit einer an Grundlagenforschung erinnernden Pingeligkeit zum Standardwerk thailändischer Küche. Für „Thai Food“ bereiste David Thompson das Land von oben bis unten und wurde überdies zum Sammler von Bestattungsbüchern, wie sie seit Ende des 19. Jhs. unter den Trauergemeinden verteilt wurden; wenn die Verblichenen Frauen waren, erwiesen sich diese Büchlein nämlich als wahre Fundgrube für Rezepte.

 

Ganz klar: „Thai Food“ ist kein klassisches Kochbuch und David Thompson nicht der klassische Kerl, der Thaiküche liebt, weil sie scharf ist, gegen Kater hilft und sich mit acht Handbewegungen aus dem Ärmel schütteln lässt. Wer bei ihm kochen lernen will, lese bitte vor dem Erwerb dieses nicht gerade billigen Kochbuchs aufmerksam den nächsten Satz: „Thailändische Küche bedarf der Aufmerksamkeit des Kochs, verlangt, dass Zeit und Mühe aufgebracht werden, und erfordert immer wieder geübte Fertigkeiten, aber sie belohnt dafür auch mit sensationellen Geschmacksnuancen.“

 

 

Bevor diese entstehen, kann sich der Leser auf über Hundert Seiten in Thailands Kultur und Geografie einlesen. Stammesstrukturen, Nebenfrauen, europäische Einflüsse, Familienaufstellungen sind nur einige der vielen Stichworte. Beim Reis märt er sich auf knapp Zwanzig Seiten so fachkundig aus, dass Ethnologen und Lebensmittelkundler daraus Doktorarbeiten ziehen könnten. Mit anderen Worten: Mit ihm zu leben, muss die Hölle sein und nicht nur, wenn man auf Alpenküche steht.

 

Aber dieser Oberpingel hat der thailändischen Küche, die er im vorliegenden Buch nicht regional einteilt, sondern nach Relishes, Suppen, Curries, Salaten und Beilagen sortiert, den Ritterschlag verpasst, der ihr nach unzähligen Fastfood-Verhohnepiepelungen zustand.

 

Die Rezepte sind übrigens überhaupt nicht kompliziert. Aber sind sie aufwändig. Denn sie erfordern, was wir Westler gerne glauben, nicht zu haben: Muße. Zur Herstellung von fermentiertem Reis beispielsweise, der über Nacht gären sollte. „ Er kommt in der Thai-Küche recht oft zum Einsatz, um ein Gericht mit seiner samtigen Süsse zu bereichern und Fett auszugleichen.“ 

 

David Thompson weckt Wissbegierde, beispielsweise auf die  geng nok , die Suppe aus der Vergangenheit, die zu den ältesten überlieferten Rezepten des Landes zählt und „Einblick in Thailands kulinarische Vergangenheit gestattet: Primitiv in der Technik, rustikal im Geschmack“.

 

Und ihm ist auch zu trauen, wenn es um Alternativen geht. Natürlich ist vieles in diesem Buch ausserhalb der Tropen schwer zu finden. Als unfreiwillige Brigitte-Leserin wuchs ich mit Standardsprüchen wie „Wenn Sie kein Basilikum finden, nehmen Sie einfach Abschminkpapier“ auf. Aber seine Alternativen sind kundig. Für eine Suppe aus frischen Tamarindenblättern empfiehlt er als Alternative Sauerampfer. Nach einem Blick auf die Zutatenliste von Brühe, Palmzucker, Fischsauce, Garnelen und frittiertem Knoblauch ist klar: das wird klappen.

 

Ein riesiges Kapitel ist natürlich den Currys gewidmet, die wir hierzulande mit Thai-Küche assoziieren und die auch ihn beeindrucken, denn „sie unterliegen ständiger Veränderung. Zutaten werden aufgenommen oder ausgeschlossen, für notwendig, nebensächlich oder inakzeptabel erachtet, und man streitet mit hungriger Hingabe über die treffenden Zutaten.“ Alle Curry-Grundaromaten von Galgant über Kuminsamen bis Macis werden warenkundlich sicher erklärt,  und wie sich Pasten selbst herstellen lassen, beschreibt er für den Mörser, den Mixer und den Fleischwolf.

 

Und bevor ich mich jetzt auch über weitere Seiten ausmäre und mich letztendlich nur wiederhole...

 

Fazit: Wenn Sie gerne Kochbücher lesen und/ oder gerne thailändisch essen, wird „Thai Food“ eines Ihrer Traumbücher. Wenn es Ihnen viel mehr Freude bereitet, nach zwei Minuten Pfannenrühren eine Riesentruppe zu beeindrucken und satt zu bekommen, kaufen Sie sich um Gottes Willen nicht dieses Buch. 

 

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Rezensent

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer

Gabriele Gugetzer holte sich einen M.A. in Südkalifornien, lebte in London und schreibt seit vielen Jahren über Essen und Trinken. Sie hat über 20 Kochbücher herausgebracht, ist Feuerwehr- und Schottlandfan und die Reisereporterin der Zeitschrift "LandGenuss". "Nach einem Backbuch kommt sie mit ihrem aktuellen Projekt – zur Buchmesse auf dem Markt – ihrer Lieblingsstadt wieder näher. "Indische Küche in London" heißt es.

gugetzer@kochmonster.de
www.kochmonster.de