Linguine mit Artischocken und Speck

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Linguine mit Artischocken und Speck

Bei der Artischocke sorgt der Bitterstoff Cynarin für Detox- und Fettkiller-Effekte. Aber nur, wenn sie nicht aus der Dose kommt. Muss sie auch nicht, schließlich ist die Cynara scolymus nahezu ganzjährig als Frischware verfügbar. Die Blütenstandsköpfe der distelartigen Kulturpflanze aus der Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae) werden von Frankreich, USA, Italien, über Spanien, Ägypten und Argentinien bis zur Türkei eigentlich immer irgendwo geerntet. Allerdings kommen dabei noch immer häufiger die großen, voll verholzten Artischocken in den Handel, die typischerweise in Wasser gekocht im Ganzen serviert werden. Man zupft in aller Ruhe die Blätter ab und tunkt sie in einen feinen Dip.

 

Kulinarisch interessanter und weitaus flexibler sind die bei der Ernte noch violetten kleinen Poweraden. Kein billiger Spaß: Während in der Reifezeit zum Beispiel in Spanien auf dem Wochenmarkt fünf Stück für 89 Cent zu haben sind, zahlt der deutsche Cynar-Freund (mit dem Gemüse wird auch der gleichnamige italienische Aperitifklassiker hergestellt) bis zu zwei Euro. Das Stück. Wichtig ist, beim Einkauf darauf zu achten, dass die Artischocken einen möglichst langen Stiel haben – dann ist das eigentliche Fruchtfleisch höchstwahrscheinlich noch nicht angetrocknet.

 

Allerdings macht selbst das Vorbereiten der auch außen noch recht weichen Baby-Artischocken ein wenig Mühe. Mit ein wenig Übung ist das aber in weniger als einer Minute pro Powerade zu schaffen. Dafür wird man bei diesem Pastaschmaus mit einem feinen Aromaspiel und einem spannenden Mundgefühl belohnt, das die laffen und geschmacksarmen Gemüsevettern aus der Dose nicht einmal ansatzweise zustande bringen.

 

So kann dieses Essen fast während der Kochzeit der Nudeln – hier passen die platten Spaghettisorten „Linguine“ oder „Bavette“ am besten – fertig zubereitet werden. Wer mageren Speck benutzt, kommt sogar noch in den Genuss der allgemeinen Figurenfreundlichkeit dieser Nudelsauce, die in ihrer Stückigkeit und den bemaßten Portionsgrößen auch wesentlich original-italienischer ist, als die Unmengen Bolognese, die in Deutschland üblicherweise unter die Pasta gehoben wird.

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 10 Minuten
Zubereitungszeit: 10 Minuten
Level: commis de cuisine

Zutaten

400 g Linguine
4-5 Powerade, frisch
2 EL Zitronensaft, frisch gepresst
1 EL Olivenöl
100 g Tiroler Räucherspeck
4 Knoblauchzehen
50 g Tomaten, getrocknet
1 EL Oregano, frisch, fein gehackt
150 ml Weißwein, trocken
200 ml Kalbsfond
400 g Tomatenstücke aus der Dose
1 Prise Salz und Pfeffer aus der Mühle
100 g Pecorinokäse, fein gerieben

Wein-Tipp

Vino Nobile di Montepulciano DOCG 2012 von der Tenuta La Braccesca

Wenn man die Artischocken beim Gemüse-Türken oder -Italiener günstig bekommt (unter 1 Euro das Stück), darf zu diesem Pastagericht auch mal ein richtig guter Nobile aufgemacht werden: Wir tranken mit großer Freude den Vino Nobile di Montepulciano DOCG 2012 von der Tenuta La Braccesca* aus dem Hause Antinori – die typische Mischung aus 90% Prugnolo Gentile und 10% Merlot wurde hier zu einem hochprämierten (2 Gläser Gambero Rosso; 90 Parker Punkte), extrem eleganten und fein strukturierten Toskaner ausgebaut, dessen weiche Tannine und reiche Kirsch- und Waldbeer-Aromen noch lange im Mund nachklingen.

Musik-Tipp

Wenn die Artischocken die Fettverbrennung anheizen, kommt schnell Euphorie auf – prima Gelegenheit, in der Küche vorher „L’ euphorie“ (jazzhaus) zu hören, das nunmehr dritte Album des franko-schweizer Neochanson-Duo Carrousel, das hier wieder die gesamte emotionale Achterbahnfahrt des Lebens zwischen Euphorie und Dauerdepri vertont.

Zubereitung

Poweraden putzen: vom Stiel 3 cm belassen, Blätter mit großem, scharfem Messer am vorderen Ende um ca. ein Drittel abschneiden, hochkant stellen, an den Seiten quadratisch zuschneiden, so dass nur noch wenige harte Blätter stehen bleiben. Mit kleinem Gemüsemesser vom Stiel her nach unten die harten Blätter entfernen, dabei den Stiel dünn abschälen. Mit dem großen Messer an einer Seite so dünn wie möglich Scheiben abschneiden, bis das Heu sichtbar wird. Heu mit einem Melonenausstecher oder kleinem Messer entfernen, restliche Powerade in sehr dünne Scheiben schneiden. Die Artischocken oxidieren schnell – sie sollten sofort in kaltem Zitronenwasser gelagert werden. Alternativ und besser haltbar: 0,5 TL Vitamin-C-Pulver. Arbeitsbrett sofort gründlich mit Spülmittel reinigen.

 

Speck an der schmalen Seite mit sehr scharfem Messer oder auf der Brotschneidemaschine in möglichst dünne Streifen schneiden. Knoblauchzehen häuten und in dünne Scheiben schneiden. Tomatenfilets in schmale Stiftchen schneiden. Nudeln in siedendes gesalzenes Wasser einlegen (Kochzeit ca. 8 Min.).

 

Speck mit Olivenöl in großer hoher Pfanne anbraten, Knoblauch mitbraten, aber nicht zu dunkel werden lassen. Artischocken, Trockentomaten, Kräuter und Weißwein zugeben, Herd voll aufdrehen. Sobald der Wein verdunstet ist, Fond zugeben, Deckel auf Pfanne legen und 4 Min. bei mittlerer Hitze dünsten. Deckel entfernen, Herd voll aufdrehen, Dosentomaten zugeben (falls es größere Filets sind, diese vorher in Streifen schneiden).

Anrichten

Sobald die Nudeln al dente sind, in Sieb schütten. Sauce beherzt mit Pfeffer und Salz abschmecken. Nudeln auf vier vorgeheizte Pastateller verteilen, Sauce aufgießen und mit dem Pecorino zum Selbernehmen rasch servieren.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

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