Baskischer Bruderhahn

Hauptgericht für 4 Personen von Peter Wagner

Baskischer Bruderhahn

Nach dem umstrittenen Küken-Urteil warten alle auf eine Methode, das Huhngeschlecht schon im Ei bestimmen zu können. Dabei gibt es eine viel bessere Idee: Wir lassen die jungen Hähne bis zur Pubertät am Leben. Und essen sie dann. Hier ein Rezept für den „Bruderhahn“.

 

Wer für Eier und Hühnerfleisch so wenig wie möglich bezahlen will, braucht nicht weiterlesen. Der nämlich hat kein Problem mit industrieller Eierproduktion, Qualzucht-Turbohühnchen und direkt nach der Geburt geschredderten oder vergasten männlichen Küken – eine Praxis, die unlängst das Oberverwaltungsgericht Münster als „Teil der Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit Eiern und Fleisch“ weiterhin erlaubt hat.

 

Es werden also weiterhin jährlich an die 50 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen aussortiert, obwohl das Töten von Wirbeltieren „ohne vernünftigen Grund“ laut Tierschutzgesetz verboten ist. Männliche Nachkommen der auf mehr als 300 Eier pro Legeperiode Genpool-optimierten Hybridhennen-Arten (in freier Natur werden oft nicht mehr als 50 Eier pro Jahr gelegt) haben aus Sicht dieser Rechtsprechung also zwei unvernünftige Eigenschaften: Erstens legen sie keine Eier und zweitens ist an ihnen zu wenig und zu zähes Fleisch, um sie als Brathähnchen gewinnbringend zu vermarkten. Denn auch ihre Aufzucht kostet dummerweise ein Vielfaches.

 

Die Schredder-Erlaubnis sei dennoch eine gute Entscheidung, betont Janic Arndt, während er uns zu dem führt, was nach Meinung des Gerichtes einen für die „Brütereien unverhältnismäßigen Aufwand“ darstellt, weil „ausgewachsene Hähne der Legehennenrassen allenfalls ein Produkt für eine kleine Absatznische“ seien. Arndt ist einer von vielleicht 20 Bundesbürgern, die das wirklich beurteilen können: Als Landwirt und Demeter-Tierhalter auf dem „Bauckhof“ in Klein-Süstedt bei Uelzen in Niedersachsen war er 2009 Mitgründer der „Bruderhahninitiative Deutschland e.V“ www.bruderhahn.de. Arndt freut sich, dass nach dem Urteil die Diskussion weiter geht und sicher an Fahrt zunehmen wird.

 

Andernfalls nämlich, bei einem Tötungsverbot, würden Eier und Legehuhnjungtiere einfach aus dem Ausland importiert werden – bis nach Pakistan. Hauptsache, der Tierschutz steht nicht im Weg. Arndt und seine „Bruderhahn“-Mitstreiter zeigen in ihrer täglichen Praxis schon mal, wie es anders gehen könnte: Wi besuchen auf seinem für Hühnerhaltung perfekten Grundstück mit frei begehbaren Überdachungen und schattenspendenden Hecken am Ortsrand einige Hundert weiße Hähne, die im Alter von etwa 20 Wochen gewichtsmäßig fast ausgewachsen sind und gerade in ihre Pubertät kommen. Das ist ein reiner Junggesellenverein, ab und zu gibt es kleine Rangkämpfe, aber noch leben sie einträchtig zwischen Waldrand und den leckeren Würmern auf dem Misthaufen. Den erhöhten Aufwand für die Aufzucht deckt Arndt über eine Doppelstrategie: Der küchenfertige Hahn kostet 16,75 Euro das Kilo, die Eier seiner weiblichen Verwandten einen Aufschlag von drei bis vier Cent pro Ei.

 

Arndt hat vor ein paar Tagen eine weitere Hundertschaft schlachten lassen – mit 22 bis 24 Wochen noch immer viel älter als herkömmliche Hühnchen für die Küche. Um den Tieren den Transportstress am Ende ihres Lebens zu ersparen, wurde sogar eine hofeigene Schlachterei gebaut, in der neben Bio-Fleischhühnchen auch die Bruderhähne mehrmals im Jahr versandfertig gemacht werden.

 

Unsere beiden Bauckhof-„Bruderhähne“, die wir für das heutige Rezept zu einer baskischen Hühnerschmorpfanne verarbeiten, unterscheiden sich schon beim Zerlegen erheblich von allem, was wir bislang unter Messer und Geflügelschere hatten: Winzige Brüstchen auf einem nur mit einer Axt teilbaren, riesigen Brustbeinknochen, dafür aber sehr lange und wunderbar stramme Keulen. Das Fleisch ist fast so dunkel wie Lamm, muss (bis auf die Brust) etwa eine Stunde geschmort werden und schmeckt am Ende himmlisch herzhaft – vergleichbar mit den besten Schwarzfederhühnern in französischer „Label Rouge“-Qualität.

 

Natürlich werden Hähne auch in Zukunft zum Geflügelfleischmarkt allenfalls im Promillebereich beitragen können. Aber wenn in Betrieben wie dem Bauckhof künftig verstärkt alte Zweinutzungsrassen reanimiert werden mit halbwegs profitablen Legequoten und ordentlich Fleisch auf den Rippen, wird es immer mehr Schmorgerichtfreunde geben, die dieses dafür einzigartig gut geeignete Produkt für sich entdecken können.

 

Wer diese Tiere wirklich retten will, sollte sie essen.

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 30 Minuten
Zubereitungszeit: 1 Stunde
Level: apprenti cuisine
Zubereitungsart: mise en place

Zutaten

2 Bruderhahn
1 EL Meersalz
6 EL Olivenöl
100 g Oliven, schwarz, in Ringe geschnitten
2 Karotten
8 Knoblauchzehen
2 Zwiebel, rot
150 g Chorizo
1 Auberginen, frisch
1 Zucchini, gelb
1 Spitzpaprika, rot
100 g Cocktailtomaten
1 Zitrone, Bio
5 EL Rosmarin und Thymian, frisch, fein gehackt
1 Chili, rot, frisch gehackt
250 ml Rotwein
800 ml Geflügelfond
300 g Paella-Reis Arrocerías Antonio Tomas Arroz Bomba Santo DO
1 Prise Pfeffer aus der Mühle
1 Prise Meersalz
TL Paprikapulver, geräuchert

Wein-Tipp

Guímaro Joven Tinto 2014

 

Ein auf Holz an Kraft zugelegter Albariño wäre eine gute Weißweinwahl, aber auch ein nicht allzu schwerer, fruchtig-seidiger Mencia wie der Guímaro Joven Tinto 2014 von der Bodega Piedro Rodriquez Pérez aus der baskischen Nachbarschaft Galicien, der mit Anklängen von Paprika, Pfeffer und Kräutern einen würdigen Saufbruder für unseren Bruderhahn abgibt.

Musik-Tipp

Bei so viel Geflügelmännlichkeit braucht die Küche unbedingt ein paar Chicks wie die vier Schwestern der Holbrook-Familie aus Colorado, die sich nach Ihren Vornamen Sarah, Hannah, Eva und Lila S.H.E.L. nennen und auf ihrem Albumdebüt „Just Crazy Enough“ (Membran) eine vogelwilde Mischung aus Folk, Indiepop und witzigen Ethnobeats präsentieren.

Zubereitung

Bruderhähne

 

 

in je acht Teile zerlegen: Die Keulen zurückbiegen, bis das Kugelgelenk herausspringt. Mit Ausbeinmesser zwischen Kugel und Pfanne die Keulen abtrennen. Mit der Geflügelschere die Flügel am Ansatz (1. Gelenk) abschneiden. Rückgrat herausbiegen und mit der Geflügelschere abtrennen. Dabei die Bürzeldrüse mit entfernen. Brustfilets mit Ausbeinmesser ablösen. Die Keulen mit einem großen Kochmesser am Gelenk zwischen Ober- und Unterschenkel durchschneiden. Nach der Zerlegung bleiben neben den Karkassen je zwei Flügel, Brüste, Oberschenkel und Drumsticks (Unterschenkel).

 

 

Beim Bruderhahn sind die Brüste sehr schwach ausgeprägt und eignen sich für unser Schmorgericht weniger gut. Sie sollten deshalb vakuumiert gelagert (oder eingefroren) und für einen typischen Kurzbrat-Zweck eingesetzt werden. An den nach der Zerlegung übrig gebliebenen Bruderhahn-Karkassen ist noch relativ viel Haut und Restfleisch – wer also die Zeit hat, sollte die im Rezept verwendete Hühnerbrühe unbedingt aus diesen Resten selbst ziehen.

 

Oliven, Karotten, Zucchini und Auberginen in Scheiben bzw. Halbmonde schneiden. Knoblauch häuten und vierteln, Zwiebeln häuten und in mittelgrobe Spalten schneiden (ca.16 Stück pro Zwiebel). Spitzpaprika dünn abschälen und klein schneiden, Zitrone in schmale Spalten schneiden.

 

Rosmarinspitzen und Thymianblättchen ablösen, Tomaten waschen, Chili fein hacken, Chorizo in dünne Scheiben schneiden.

 

 

Die restlichen Hahnteile ringsherum mit Salz einmassieren und in 4 EL heißen Olivenöl goldgelb braten.

 

 

Warm stellen. In der Pfanne Knoblauch, Chorizo und Zwiebeln goldbraun braten, 1 TL Salz zugeben. Wein zugeben und auf die Hälfte reduzieren. Pfanneninhalt in einen sehr großen Bräter geben, Backofen auf 200 °C vorheizen. Restliches Olivenöl in die Pfanne geben und darin Zucchini, Auberginen, Paprika, Karotten und Chili nach Wahl 5 Min. andünsten. Im Bräter mit dem Rest vermischen, Reis, Pfeffer, Kräuter und Salz gleichmäßig aufstreuen.

 

 

Hühnerteile nebeneinander auflegen, Zitronenspalten, Oliven und Tomaten dazwischen verteilen. Geflügelfond gleichmäßig angießen. Bräter mit Deckel verschließen und 45 Min. im Ofen schmoren.

 

Deckel entfernen, geräuchertes Paprikapulver verteilen und Reis-Garprobe machen: Ist er sehr trocken, noch etwas Wasser gleichmäßig einfüllen. 15-20 Min. ohne Deckel weiterbraten.

Anrichten

Der Bräter enthält, ähnlich wie eine Paella, alles, was man zum Essen benötigt – einfach in die Mitte des Tisches stellen und jeder bedient sich selbst.

 

 

TIPP: Aktuell bieten neben dem Bauckhof  nur wenige Züchter Bruderhähne an. Das Prinzip, über Preisaufschlag bei den Eiern die Aufzucht der männlichen Hühner zu unterstützen, folgt auch der Erzeugerzusammenschluss Fürstenhof in Mecklenburg-Vorpommern mit ihren inzwischen fast bundesweit in vielen Supermärkten vertriebenen Haehnlein-Produkten  Im Raum Nürnberg gibt es Hahn-Aufzuchten beim Geflügelhof Schubert , in der Nähe von Bremen beim Hof Mühlenberg; eventuell können die Naturkostgroßhändler Naturkost Erfurt   und Naturkost Elkershausen   bei Göttingen weitere Bezugsquellen nennen.

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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