Avocadokaltschale

Scharfe Vorspeise für 4 Personen von Peter Wagner

Avocadokaltschale

An der Vollfettfrucht Avocado mit 5 Prozent Fett (bei ca. 220 kcal) kann man höchstens dann sterben, wenn wir uns mengenmäßig daran tot fressen. Wofür es aber weltweit noch keinen dokumentierten Präzedenzfall gibt. Ganz im Gegensatz zu Tausenden Haustier-Vögeln, kleinen Nagern oder Kaninchen, die an dem für sie tödlich wirkenden Persin verendet sind, das im Kern aber auch im Fruchtfleisch vorhanden ist.

 

Das gilt übrigens für alle etwa 1000 bekannten Avocado-Sorten. In Deutschland ist die außen grüne mexikanische Sorte „Fuerte“ die häufigste, dazu gesellen sich die aromatisch meist intensiveren Sorten aus Mittelamerika („Reed“, „Hass“, „Nabal“) mit kleinem, fest sitzendem Kern und dicker, dunkler, etwas warziger Schale.

 

Die allerdings verraten im Gegensatz zu den Mexikanern ihren Reifegrad nicht durch die Fingerdruckprobe (leichtes Nachgeben ohne bleibende Druckstelle), sondern mit ihrer Farbe: Wenn die Schale ein tiefes Braunviolett angenommen hat, schmecken sie am besten.

 

Und für alle Sorten gilt natürlich, dass sie roh oder kalt mariniert gegessen werden sollten, weil die Früchte einer Lorbeerbaumart beim Erhitzen unangenehme Bitterstoffe entwickeln. Wobei der Grad dieser subjektiv empfundenen Gaumenbelästigung stark von der Genetik des Essers abhängt: Die „Bitterschmecker“ unter uns werden vielleicht sogar das rohe, herrlich fette Avocadofleisch wieder ausspucken. Schade, denn das besteht massenhaft aus gesunden ungesättigten Fettsäuren, ansonsten punktet es mit reichlich Kalium, Magnesium und den Vitaminen E und B.

 

Ein wenig mit diesem bitteren Reiz spielt auch unser spätsommerliches Rezept für „Scharfe Avocadokaltschale“, bei dem die Sättigungskraft der Frucht zusammen mit dem leichten, durch die Schärfe spannend konterkarierten Kühlungseffekt im Mund für das Gefühl sorgt, genug gegessen zu haben, ohne sich hinterher schwer zu fühlen.

 

Im Gegenteil: Die Avocado gilt wegen ihrer Serotonin-fördernden Wirkung nicht nur als Stimmungaufheller, sondern sogar als leicht aphrodisiakisch wirkend. „Aoacatl“ nannten die Indianer Mittelamerikas ihr geliebtes Fettgemüse. Das gleiche Wort benutzen sie für die Hoden.

 

© 2016 Peter Wagner/kochtext
Vorbereitungszeit: 10 Minuten
Zubereitungszeit: 15 Minuten
Level: apprenti cuisine
Zubereitungsart: sequentiell

Zutaten

3 Avocado, vollreif aber noch schnittfest
1 Knoblauchzehe
0,5 TL Meersalz, fein
1 Chilischote, grün
1 Limette
250 g Ayran
400 ml Gemüsebrühe
4 EL Avocadoöl
1 EL Minze, frisch, fein gehackt
2 EL Koriander, frisch, gehackt
1 TL Honig
2-3 Spritzer Worcestershire-Sauce
1 Prise Salz und Pfeffer
1 Prise Zucker

Wein-Tipp

2014 Auxerrois Sekt

 

Nachdem die einschlägigen Weißen, die einem zu so einer scharf-cremigen Kaltschale rasch einfallen (Albariño, Vernacchia, Muskateller) in der konkreten Paarung ein klägliches Bild abgaben, fanden wir überraschenderweise im Sektregal einen ebenbürtigen Partner: Das Maikammerer Sektgut Schöpdsdau versektet mit traditioneller Flaschengärungsmethode allerlei im Schaumweinbereich eher ungebräuchliche Rebsorten (Sauvignon Blanc, St. Laurent, Gelber Muskateller) und liefert mit dem spritzigen 2014 Auxerrois* einen Weißburgunder-ähnlichen Spitzensekt, der extra trocken ausgebaut ist, und dennoch fruchtiger und mit weniger Säure als ein weißer Pinot den Gaumen streichelt.

Musik-Tipp

Eine fast so kühle Eleganz wie unsere Avocadosuppe, aber im Detail stets immer gerade die richtige Schärfe – dieses Konzept begleitet auch das Schaffen des wahrscheinlich größten lebenden Progrockgitarristen Steven Wilson, der auf „Transience“ (Kscope) nun aber die poppigen, meist sogar mitsummbaren kürzeren Songs einer Soloschaffensphase 2002-2015 kompiliert.

Zubereitung

Knoblauchzehe häuten, grob zerkleinern und mit Salz und Chili in einem Mörser zu einer Paste verarbeiten.

 

 

Limette auspressen. Avocados halbieren, Kern entnehmen, Fruchtfleisch mit einem Löffel herausheben

 

 

und in einem starken Mixer

 

 

mit den restlichen Zutaten zu einer glatten Suppe mixen. Zu Beginn nur die Hälfte des Limettensaftes einmixen und mit Pfeffer, Salz und Zucker abschmecken – die Kaltschale sollte nicht zu sauer schmecken. Wenn sie zu dickflüssig wird, noch etwas Ayran einmixen.

Anrichten

Suppe auf vier Servierschüsseln verteilen. Mit 1-2 EL Ayran kreisförmige Muster in die Suppe ziehen, nach Belieben mit Chiliringen und Koriander garnieren und servieren.

 

Chef de Cuisine

Peter Wagner

Peter Wagner

Peter Wagner

Kocht länger als er für Geld schreibt – seit 1976. Der Musikjournalist lebt in Hamburg und liebt alles, was mit Verstand und Hingabe aus frischen Zutaten zubereitet wird. Seit 2007 schreibt er die Samstags-Kolumne „Tageskarte“ auf Spiegel online. Weitere Infos bei seiner Agentur kochtext...

monsterkoch@kochmonster.de
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